Der Sangha in Deutschland scheint sehr gutes Karma zu haben, denn wir können uns glücklich schätzen, den Dalai Lama bereits zum zweiten Mal in unserer VIEN GIAC Pagode in Hannover begrüßen zu können.
Das erste Mal trafen wir uns am 18.6.1995. Damals hatte der Bikkhu Thich Hanh Tan zusammen mit dem Novizen Duc Thu die Übersetzung des Lehrvortrages des Dalai Lama zum Thema: „Die Vier Heilige Pfad“ aus dem Deutschen ins Vietnamesisch übernommen. Bikkhu Christoph wiederum übersetzte vom Tibetischen ins Deutsche. Über diesen Besuch habe ich in meinem Buch „Begegnung mit dem Dalai Lama“ berichtet, das auf Vietnamesisch und auf Deutsch vorliegt. Das Buch wurde mit Unterstützung des Innenministeriums der Bundesrepublik im Jahr 1999 herausgegeben. Im Jahr 1995 hatte die Stadt Hannover den Dalai Lama eingeladen und wir konnten ihn zu einem Besuch in der Klosterpagode Vien Giac einladen.
Dank unseres Glücks durften wird seine Heiligkeit am 20.9.2013 ein zweites Mal einladen. Im Jahr 2013 war Bikkhu Hanh Gioi als Abt des Pagode Vien Giac mitverantwortlich. Offiziell wurde die Einladung von Indien nach Deutschland von der Organisation Ganden Shedrub Ling (Tibetisches Kulturzentrum in Hannover) und dem Bikkhu Gesche Yonten aus Steinhude verschickt. Außerdem haben ihn Gymnasiasten der Klassenstufen 8 bis 10 des Leibnitz-Gymnasiums, des Bismarck- und das Humboldt-Gymnasiums zu einem Vortrag eingeladen. Die jugendlichen Schüler hatten Lieder für den Dalai Lama eingeübt und eine kleine Geldsammlung als Spende für die tibetischen Kinder in Indien gesammelt. Bei dieser Gelegenheit wurden viele kindliche Fragen gestellt, wie etwa: Was ist der Unterschiede zwischen Schülern in Deutschland und in einem tibetischen Flüchtlingslager? Der Dalai Lama lachte und antworte: „Alle Schüler in der Welt lieben die Ferien mehr als das anstrengende Lernen!“ Auch zeigten sie sich von seinen Ratschlägen sehr beeindruckt, wie etwa: „Zähmt Euren inneren Geist, dann seht ihr auch den äußeren Frieden.“
Ein weiterer Höhepunkt war eine Veranstaltung in der Swiss Life Hall in Hannover am 19.03.2013. In der fast ausverkauften Halle, wo sonst Sportler und Musiker auftreten, hielt der Dalai Lama einen Vortrag über Mitgefühl und Toleranz. Viele Besucher kamen von weit her, z. B. aus Hamburg, Frankfurt und auch die Medien zeigten sich an dem Event interessiert. Nach der Begegnung schwärmten die über sein Lachen: ein wunderbares Lachen, das viele Liebe beinhaltet und innere Ruhe zum Zuschauer überträgt.
Am nächsten Tag stand der Besuch des Klosters Vien Giac auf dem Programm. Wie auch bei seinem Besuch in unserem Kloster früher, im 2013 drehte sich jetzt bei der Organisation vieles um die Sicherheit des Gastes sowie um die Sitzverteilung in unserer Altarshaupthalle. Im Vergleich zum ersten Besuch 1995 sollte die Delegation diesmal kein Mittagsessen und keine Mittagspause in der Pagode benötigen. Dafür, so erschien es uns, wurde aber die Sicherheit um ihn noch einmal erhöht.
Obwohl er nicht mehr der Regierungschef von Tibet ist, gilt er ist immer noch als wichtigster Mönch des tibetischen Buddhismus. Man berücksichtigte alle Eventualitäten und auch eine Annährung sollte ohne Erlaubnis der Sicherheitskräfte vermieden werden. Ich kann die Sorge seiner Sicherheitsleute mitempfinden. Dieses Mal hat der Bikkhu Hanh Gioi als Abt zwar offiziell eingeladen, aber ich hatte durch die Organisationsarbeit bestimmt einige Kilogramm Gewicht verloren. Dafür empfinde ich aber eine Zufriedenheit, eine innere Ruhe in mir und vor allem Glück nach der Begegnung mit ihm.
Die Reporter vom NDR Fernsehen strahlten abends um 18 Uhr einen Bericht in dem Programm „Hallo Niedersachsen“ aus. Diese Sendung wurde am 20.9.2013 um 19:50 Uhr wiederholt. Die großen regionalen Zeitungen in Hannover wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue Presse, Bild waren anwesend und berichten über den Besuch. Ausfühlich hat außerdem der Zeitung von seinem Büro mit allen Informationen im Artikel: „ His Holiness the Dalai Lama Concludes his European Tour with a Visit to the Vien Giac Vietnamese Temple, September 20th 2013“
Seine Ankunft in der Pagode Vien Giac war zwar für den 20.9.2013 um 14 Uhr terminiert, aber bereits am Vortag waren viele Gruppen vietnamesischer Buddhisten angereist und übernachteten in unserem Kloster. Ab 13 Uhr wurden alle gebeten, das Gelände der Pagode zu verlassen, um dann nochmals einzeln nach einer Leibesvisitation Einlass zu erhalten. Die Jugendgruppe der Pagode hatte aktiv unter Einweisung der Sicherheitsbeamten mitgewirkt.
Endlich hatte die Warterei ein Ende: Als erstes kamen die Fahrzeuge der hannoverischen Polizei, gefolgt von dem Fahrzeug des Dalai Lama und von fünf oder sechs Fahrzeugen mit seinen Mitarbeitern. Der Bikkhu Thich Hanh Gioi und der Sangha begrüßten den Dalai Lama und seine Delegation am Haupttor der Pagode mit weißen Tüchern, Blumen, Räucherstäbchen, Sandelholzrauch und diverse Fahnen. Danach erschien ich und er klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter und sagte lächelnd: „Oh, mein Freund!“. Ich bemerkte, er hatte nichts vergessen.
In der Vergangenheit war ich ihm bei einer Veranstaltung an der Universität Hamburg begegnet, wo wir am gleichen Tisch nebeneinandersitzend zu Mittag aßen. Auch war ich ihm an der Universität New Delhi anlässlich verschiedener buddhistischer Vorträge begegnet. Jedes Mal empfand ich eine Art geistige und körperliche Stärkung, so als ob ich länger und gesünder leben könnte. Vor zehn Jahren hatte ein Reporter einen von ca. 25.000 Teilnehmern in Hamburg gefragt, warum er denn so viel Zeit und Geld geopfert habe, um dem Dalai Lama zu zuhören und was er denn von dem Vortrag verstanden und behalten habe. Der Besucher antwortete: „Ich brauche nicht alles von seinem tiefgründiges Vortrag zu verstehen, ich brauche nur sein Lachen zu empfangen. Dadurch fühle ich mich sehr ruhig und glücklich.“
Richtig! Sein Lachen ist einmalig: Kindlich, liebevoll und voller „Cita“ (Từ Bi) auch seine Augen beim Lachen. Das ist die Weisheit von dem ersten Mönch Tibets.
Vor der Statue des Amitabha-Buddha vor der Haupthalle der Pagode verneigte er sich, zog seine Schuhe aus und ging barfuß hinein unter den begeisterten Klatschen tausender Buddhisten. Nachdem er sich kniend vor dem Altar verbeugte, bat ich ihn, auf das erhöhte Podium zu steigen. Er zögerte und sagte: „Wait! Wait! Chanting Please! Vietnamese Maha Prajna Sutra!” Er bat um die Rezitation des vietnamesischen Bát Nhã Sutra. Ich folgte seiner Aufforderung und begann, das Sutra auf Vietnamesisch zu rezitieren. Danach rezitierten er und seine Bikkhus eine kleines Sutra auf Tibetisch. Schließlich stieg er auf das Podium für seine Dharma-Vortrag. Ein wenig tiefer saß der Bhikkhu Hanh Gioi und übersetzte vom Englischen ins Vietnamesische. Auf der anderen Seite saß sein Assistent, der ihn manchmal an bestimmte englische Termini erinnerte.
Seinen Vortrag hielt er auf Englisch:
„Ich freue mich sehr über den Besuch dieser vietnamesischen Pagode. Aus Sicht der Geschichte sind alle Traditionen nach der Pali-Tradition meine Vorgänger. Auch die Mönche in der Sankrit-Tradition, Chinesen, dann Vietnamesen, Koreaner und Japaner sind für uns Vorreiter. Wir verneigen davor und respektieren diese Leistung. Der Buddhismus kam später nach Tibet, weshalb unser Respekt für die älteren Mönchstraditionen selbstverständlich ist.
Vor mehr als 2500 Jahren, als der Buddha ins Nirwana ging, entstanden mehrere Traditionen. Wir zollen allen Traditionen weiterhin Respekt und befolgen die Buddha-Lehre. Die Buddha Lehre ist die Quelle des Glücks.“
Der Dalai Lama stellte fest, dass die Technologie im 21. Jahrhundert hoch entwickelt ist, aber auch eine Ursache für schreckliche Zerstörung sein kann. Wir Menschen müssen unseren inneren Werten mehr Aufmerksamkeit schenken, um inneren Frieden zu entwickeln. Unter solchen Umständen können wir sicherstellen, dass wir die Technologie konstruktiv einsetzen.
Er räumte ein, dass das vietnamesische Volk aufgrund der Macht moderner Waffen während des Krieges in seinem Land großes Leid und immense Zerstörung erlitten habe. Er erinnerte sich, dass er in dieser Zeit auf seinem Weg nach Japan einmal über Vietnam geflogen war und B52-Bomber von seinem Fenster aus gesehen hatte. Er sagte, er könne nicht anders, als an die Menschen auf dem Boden zu denken.
In vielen Teilen der Welt herrscht mittlerweile ein starkes Gefühl gegen Gewalt und ein starkes Verlangen nach Frieden. Antikriegs- und Gewaltbekämpfungsbewegungen sind kraftvoll. Werte wie Liebe, Mitgefühl, Toleranz und Selbstdisziplin, die durch verschiedene religiöse Traditionen zum Ausdruck gebracht werden, sind nach wie vor sehr relevant. Daher haben diese Traditionen eine besondere Verantwortung, Frieden in der Welt zu schaffen, und es ist wichtig, dass Harmonie und Respekt zwischen ihnen herrschen.
„Der Buddhismus“, fuhr er fort, „hat eine einzigartige philosophische Sichtweise: das Konzept der gegenseitigen Abhängigkeit, dass alles von anderen Faktoren abhängt, dass nichts absolut oder unabhängig für sich existiert. Der Sanskrit-Begriff dafür ist Pratityasamutpada. Sowohl in der Pali- als auch in der Sanskrit-Tradition ist dies die vorherrschende philosophische Sichtweise. Der Buddha lehrte die vier edlen Wahrheiten auf der Grundlage der gegenseitigen Abhängigkeit. Alle Anhänger der Sanskrit-Tradition rezitieren das Herz-Sutra, das besagt das Form Leere ist, und Leere Form ist. Nach Ansicht Buddhas ist die Wurzel des Leidens Unwissenheit, das Missverständnis, dass Dinge inhärent oder unabhängig existieren, während sie voneinander abhängig sind und aufgrund anderer Faktoren bestehen. Die Leere, die er lehrte, ist nicht das Nichts, sondern die Leere der selbständigen Existenz.“
Seine Heiligkeit erklärte, dass durch das Verstehen und Nachdenken über gegenseitige Abhängigkeit unsere Unwissenheit verringert und unser Verständnis der Realität wächst. So transformieren wir unseren Verstand. Wir mögen das Herz-Sutra-Mantra in verschiedenen Sprachen rezitieren und anders aussprechen, aber was es zeigt, ist ein fortschreitendes Wachstum des Verstehens, das in der Buddhaschaft gipfelt.
„Wir flüchten uns in den Buddha, aber letztendlich ist es unser Ziel, selbst Buddha zu werden. Ein ziemlicher Ehrgeiz! Buddha sagte, wir hätten den Samen der Buddhaschaft, der Buddha-Natur, in uns. Als junger Student ist es nützlich, das Ziel zu haben, so etwas wie ein Professor zu werden, und für Anhänger der Sanskrit-Tradition des Buddhismus ist es nützlich, den Ehrgeiz zu haben, die Buddhaschaft zu erreichen.
Wer die Weisheit der Leere versteht, wird mit Hilfe der Konzentration viel stärker. Konzentration bringt die Kraft des Geistes zum Ausdruck und um Konzentration zu entwickeln, brauchen wir die Disziplin der Ethik.
Ein Motiv zur Beseitigung der Trübungen des Geistes ist unsere eigene Befreiung vom Leiden. Das Zweite ist die Beseitigung der Spuren von Befleckungen, die Hindernisse für das Wissen darstellen. Sobald sie überwunden sind, können wir die zwei Wahrheiten gleichzeitig sehen, was Buddhaschaft ist. Wenn wir die Drei Höheren Trainings mit dieser Motivation praktizieren, wird dies zum Gegenmittel gegen die subtilsten störenden Emotionen.“
Zurück zum Herz-Sutra-Mantra. Hier setzte Seine Heiligkeit die letzten Worte des Sutras - „Boddhi svaha“ - mit der Beseitigung aller Hindernisse und ihrer Spuren und der Vollendung des allwissenden Geistes gleich. Er fügte hinzu, dass die gemeinsame Entwicklung von Altruismus und Weisheit die Grundlage der täglichen buddhistischen Praxis sein sollte.
Er betonte die Wichtigkeit von Nachforschungen, insbesondere in der Sanskrit-Tradition, und erinnerte an den eigenen Rat des Buddha an seine Anhänger, das Gesagte nicht nur aus Glauben zu akzeptieren, sondern es zu untersuchen und zu testen. Als Buddhisten des 21. Jahrhunderts sollten wir nicht nur Sutras rezitieren, obwohl dies seinen Platz haben muss; noch wichtiger sei das Studium mit Herzen.
„Also: bitte lerne. Finden Sie heraus, was Buddha, Dharma und Sangha sind. Denken Sie daran, dass der Buddha nicht immer erleuchtet war. Als er auf den Weg ging, war er wie einer von uns. Um zu verstehen, was der Buddha ist, müssen wir den Weg verstehen.“
Danach durften die Anwesenden einige Fragen stellen.
Ein Zuschauer wollte wissen, was der Unterschied zwischen dem asiatischen Buddhismus und dem westlichen Buddhismus sei. Der Dalai Lama antwortete, dass das Praktizieren des Buddhismus wie kulturelles Zeichen ist. Es mag etwas unterschiedlich sein. Aber der Inhalt der Lehre ist wichtiger und muss mehr beachtet werden als die unterschiedlichen kulturellen Formen.
Eine andere Frage bezog sich auf den Niedergang und das Verschwinden des Dharma. Seine Heiligkeit zitierte die Worte des Buddhas, demnach seine Lehre nicht verschwindet, weil sie unzureichend war, sondern weil die Anhänger sie nicht mehr kannten oder ausreichend unterstützten.
Schließlich bat eine Frau Seine Heiligkeit, als 15. Dalai Lama zurückzukehren, um Menschen wie ihr zu helfen. Er antwortete, dass er bereits 1969 klargestellt habe, ob die Institution des Dalai Lama in Zukunft weiterbestehen werde oder nicht, sei Sache des tibetischen Volkes. Nur wenn sie wollen, dass es weitergeht, taucht die Frage nach dem nächsten Dalai Lama auf, sonst könnte er durchaus der Letzte sein. Das bedeute jedoch nicht, fuhr er fort, dass seine Wiedergeburt zu Ende gehe. Er zitierte sein Lieblingsgebet, in dem es heißt:
„Solange diese Samsara Welt besteht
Und solange Lebenswesen noch existiert
Bis dahin darf ich bleiben
Um das Elend der Welt zu zerstreuen“
Der Dalai Lama verließ Pagode Vien Giac nach den Erinnerungsfotos und ließ sich dann zum Flughafen fahren, für einen langen Rückflug nach Indien.
Der Dalai Lama XIV hat der Pagode Vien Giac einen gesegneten Buddha Statue gestiftet. Der Bikkhu Hanh Gioi und Buddhisten sind vor ihm in die Knie gegangen und überreichten ihm eine Geldspende. Er hat dies abgelehnt und zu dem Abt gesagt: „Diese Spende ist für die Pagode hier.“
Ich schreibe diese Zeilen aus meinen Erinnerungen auf sowie mit Hilfe von Zeitungsartikeln und Presseerklärungen von vor 6 Jahren. Sie dienen als Anlage zu dem Buch über den Dalai Lama, nun in der Amazon Plattform erscheint, der die Vien Giac Pagode in Hannover zum zweiten Mal besucht und gesegnet hatte und hier den Dharma lehrte, damit die Menschen Freude und Glück finden.
(Fertig geschrieben am 09.4.2019 im Bibliothek, Pagode Vien Giac, Hannover, Deutschland).