In diesem Jahr gab es in Europa eine Sonnenfinsternis und das Sommerwetter war sehr abwechselnd. An manchen Tagen stieg die Temperatur auf 35°C und an manchen anderen blieb sie nur bei 20°C. Es gab viel Sturm und Regen. Die plötzlichen Regenfälle taten so, als ob sie ihre ganze Wut auf die Erde und die Wiesen abreagieren wollten. Man weiß nicht, ob die Natur damit zufrieden war? Oder ist sie den Menschen und dem Leben auf dieser Welt gegenüber noch verärgert?
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhundert wird die Menschheit viele Naturkatastrophen erleben, die durch Sturmflut, Erdbeben, Hungersnot, Krankheit, Kriege und Haß verursacht werden. Das kommt daher, weil der Mensch Angst vor dem Tod hat und alles tut, um zu überleben. Er zerstört die Natur, um sein Selbst zu schützen. Nun dreht die Natur den Spieß um und bestraft den Menschen. Die Ursache für die Überschwemmung besteht darin, dass man zu viele Bäume in den Bergen und Wäldern gerodet hat und nicht genügend neue Bäume nachpflanzt. Wenn ein großer Regen kommt, fließt das Regenwasser in die Flüsse, das Wasser steigt sehr schnell und es kommt somit zu Überschwemmungen. Auch die Fabriken produzieren und lassen jeden Tag Unmengen von Giftmüll frei. Die Abgase kommen aus den Schornsteinen von Chemiefabriken und von den Autos. Die Bäume und die Nahrungsmittel werden dadurch vergiftet. Der Mensch züchtet das Vieh und füttert es mit vielen Chemikalien, damit es schneller wächst. Wenn der Mensch das Fleisch dieser Tiere zu sich nimmt, wird er auch infiziert; und der Tod verschont niemanden. Dazu kommen noch viele neue Krankheiten dieses Jahrhunderts wie z.B. die gleichgeschlechtliche Liebe, Aids, Krebs etc. Es sind Krankheiten, gegen die die Medizin noch keine Heilmittel gefunden hat, um sie zu bekämpfen.
Die Technik von heute ist sehr fortgeschritten. Der Mensch überwindet sogar das All, um die Natur zu besiegen. Doch wer kann denn sich selbst besiegen, und wie viele helfen mit, diese Erde schön zu gestalten? Die Naturstoffe wie z.B. Erdöl, Erdgas, Metall, Kohle etc. werden von den Menschen ausgebeutet, alles nur, um die Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen. Diese Energiequellen werden eines Tages im 21. Jahrhunderts ausgeschöpft sein. Wovon werden die Menschen dann leben? Die Weltbevölkerung zu Anfang des 20. Jahrhundert betrug 2 Milliarden Menschen. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, hat sich diese Zahl verdreifacht, d.h. 6 Milliarden. Die Zahl steigt stetig weiter, obwohl die Wohnfläche gleich geblieben ist. Die Bevölkerungszahl von Vietnam lag zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei 20 Millionen. Inzwischen (Stand 1999) sind es 76 Millionen geworden. Es ist also ein enormer Zuwachs. Und dieser Zuwachs, obwohl viele Menschen durch die großen Kriege gestorben sind; auch die Menschen, die ihr Leben auf der Suche nach Freiheit in den Wäldern und auf dem Meere gelassen haben. Trotzdem wächst die Bevölkerung und es herrscht weiterhin Hungersnot.
Indien und China sind die bevölkerungsreichsten Länder der Erde mit den größten Landflächen in Asien. Sie versuchen alles mögliche, um neues Land im Norden und Süden zu gewinnen. Tibet muß darunter sehr leiden. Kostbare Bäume werden gerodet und zu Holz verarbeitet. Diese Maßnahmen erwecken die Aufmerksamkeit der Welt. Die Abflußmenge des Mekong Delta nimmt gravierend ab. Trotzdem wollen alle Nationen sie für sich in Anspruch nehmen. Niemand hört auf den anderen. Wahrscheinlich wird es in diesen Regionen früher oder später zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen.
In Afrika droht die Hungersnot noch schlimmer als in Asien, dort aber infolge der Dürre. Die Sonne prallt auf die Felder. Die Ernten sind nicht ertragreich; doch die Geburtsrate nimmt ständig zu. Es kommt zu Analphabetismus, Unterernährung und hoher Rate an Säuglingssterblichkeit. Trotzdem nimmt die Bevölkerung in diesen Ländern nicht ab. Falls es irgendeinen Bodhisattva gibt, der auf Afrika oder sonst irgendwo auf diese Welt käme, um den Menschen zu helfen, so wird auch er große Schwierigkeiten zu bestehen haben, wirklich allen Menschen helfen zu können. Es ist nur möglich, wenn jeder für sich Verdienste ansammelt, jeder muß für sich selbst wach werden und sich bewußt sein, was er machen soll, was er beitragen kann, um das Leid auf dieser Welt zu vermindern, damit die Lebewesen und die Natur ihren Wert behalten. Ansonsten wird es zu spät sein und es gibt keine Mittel, um die Naturzerstörung und den geistige Niedergang abzuwehren.
Aus diesen Gründen suchen die Menschen im Westen heute nach einer geistigen Lösung, die ihnen weiterhilft. Die Wissenschaftler, Philosophen und Gelehrten haben bislang viel Arbeit investiert, um nach dem materiellen und geistigen Wert zu suchen; doch sie haben bis jetzt noch keine endgültige Antwort gefunden. Woher kommt der Mensch? Wo kommt er hin nach dem Tod? Wie entstand diese Welt? Wird sie für ewig existieren oder zerspringt sie eines Tages in tausend Stücke? etc. Einige religiöse Traditionen in Europa und Nordamerika konnten einige Phänomene auf dieser Welt durch ihre Erklärungen erhellen. Doch sie konnten keine wirklichen Wahrheiten beweisen, denn sie besitzen keine Weisheitsaugen wie die Buddhas und Bodhisattvas sie haben. Die Buddhas und Bodhisattvas sind bereits aus dieser Samsarawelt herausgetreten. Deshalb kommen viele Menschen im Westen zu dem Buddhismus, denn der Buddhismus erfüllt ihre Sehnsucht nach geistiger Zufriedenheit.
Der Buddhismus existiert schon über 2500 Jahre in Asien. In Europa ist er erst gut 200 Jahre alt. In den letzten 200 Jahren konnte der Buddhismus sich Schritt für Schritt dem westlichen Fortschritt anpassen und sich fortentwickeln. Den erste Meilenstein legten die westlichen Buddhismusforscher. Sie reisten nach Indien, Sri Lanka, Tibet, Japan, Vietnam, Korea, um sich über den Buddhismus zu studieren. Sie kehrten anschließend zurück in ihre Heimat und gründeten buddhistische Vereine und Gruppen. In Deutschland wurde der erste Buddhismusverein in Leipzig vor 100 Jahren gegründet. In der zweiten Phase richteten die Buddhismusforscher ihre Schwerpunkte auf die japanische Meditationslehre, so z.B. durch den Buddhismusforscher Daietsu Suzuki. Der japanische Zen hat vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika viele Anhänger gefunden. Die dritte Phase des Buddhismus in Europa kam mit dem tibetischen Buddhismus, oder besser gesagt durch die Person des Dalai Lama XIV. Man muß tatsächlich folgendes feststellen; „Wenn es in Tibet keine Persönlichkeit wie Seine Heiligkeit gäbe, dann würde der tibetische Buddhismus genauso wie in allen anderen asiatischen Länder sein.“
Seine Heiligkeit verkörpert den vollendeten Bodhisattvaweg und wegen seiner Barmherzigkeit, Gewaltlosigkeit und Liebe wird er von der Welt wie ein Heiliger verehrt, der in diesem Jahrhundert Frieden auf diese Welt bringt. Es gibt unendlich viele schöne Worte, um Seine Heiligkeit zu loben. Man kann ihn gar nicht genug in Worten loben. Es gibt sehr viele Schriftsteller, Dichter, die ihn bewundern. Es gibt auch unzählige Philosophen, Gelehrte, Wissenschaftler, die durch Seine Heiligkeit die Zuflucht zu den Drei Juwelen genommen haben und den tibetischen Buddhismus auf der ganzen Welt strahlen lassen. Die Menschen mögen alles, was tibetisch ist. Es hat natürlich seinen Grund, denn Seine Heiligkeit verkörpert die Gestalt und die Lehre des Erleuchteten und wirkt stark im Westen.
Die großen Sutrensammlungen wie z.B. Avatamsaka-Sutra, Lotus-Sutra, Laukavatara-Sutra oder Medizin-Buddha-Sutra wurden bereits ins Deutsche, Französische, Englische etc. übersetzt. Die Menschen im Westen studieren eifrig die gleichberechtigte Buddhalehre. Es wird sicher eines Tages dazu kommen, dass der gesamte Korpus der Sutren-Sammlungen der Nord- und Süd-Buddhismusschulen, der mehr als 250.000 Seiten umfaßt, in die einzelnen Landessprachen übersetzt wird. Bis dahin wird der Buddhismus noch mehr Gelegenheit haben, sich im Westen auszubreiten. Der Buddhismus wirkt wie das klare Wasser, das den Menschen den süßen Geschmack bringt, während die Religionen und Philosophie im Westen Veränderungen an der Wurzel durchmachen.
In dem Buch „Deutsche Buddhisten“ von Herrn Martin Baumann, der als Dozent an der Universität Hannover lehrt, das 1995 im Diagonal Verlag erschienen ist, erfahren wir, dank seiner analytischen Studien und statistischen Auswertungen über den Fortschritt der Entwicklung der verschiedenen Buddhismustraditionen in Deutschland. Ich habe den Eindruck, das Deutschland ein typisches Beispiel darstellt für die Entwicklungen des Buddhismus in Europa und Nordamerika. Das Buch von Doktor Baumann hat 465 Seiten.
Auf Seite 425 wird prozentuale Verteilung buddhistischer Gemeinschaften und Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland während der 70er Jahre zusammengefaßt.
Theravada 16%
Mahayana 42%
Vajrayana 23%
Asiatische Buddhisten 3%
Traditionsungebundene Bunddhisten 16%
Im Jahre 1980 verschob sich die Verteilung folgendermaßen:
Theravada 12%
Mahayana 29%
Vajrayana 41%
Asiatische Buddhisten 7%
Traditionsungebundene B. 11%
Bis zum Jahre 1985 veränderten sich die Proportionen wiederum:
Theravada 10%
Mahayana 26%
Vajrayana 47%
Asiatische Buddhisten 6%
Traditionsungebunden 11%
Die letzte Statistik seines Buchs weist die folgende Verteilung für das Jahr 1991 aus:
Theravada 13%
Mahayana 30%
Vajrayana 40%
Asiatische Buddhisten 7%
Traditionsungebunden 10%
Anhand dieser Zahlen erkennt man, dass die Verteilung der verschiedenen Traditionen abhängig ist von der Bewunderung der Deutschen für bestimmte Buddhismustraditionen. Wenn man den Theravada mit dem Mahayana vergleicht, wobei der Vajrayana auch zum Mahayana gehört, wird man feststellen, dass der Mahayana immer doppelt oder dreifach so viele Anhänger hat als der Theravada. Die Entwicklung des Mahayana-Buddhismus ist im Westen erfolgreicher als die des Theravada.
Kürzlich (1999) erschien ein kleines Buch „Kompass Buddhismus“ im Lutherischen Verlagshaus in Hannover; sein Herausgeber war Herr Prof. Dr. Dr. Peter Antes, dessen Verfasser aber wiederum Herr Dr. Martin Baumann war. Das Buch hat nur 70 Seiten und ist zweisprachig: Deutsch und Englisch. Das kleine Buch stellt alle besondere Merkmale des Buddhismus in Deutschland vor, so z.B. einen geschichtlichen Überblick, die Ämter und Funktionen, den Alltag, das Familienleben, die Krankheit und Pflege, Feste, Wirtschaft und Politik.
In dieser Studie werden die letzten Forschungsergebnisse von Herrn Dr. Baumann zusammengefaßt. 1999 gibt es über 500 buddhistische Gruppen und Organisationen in Deutschland, die sich wie folgendermaßen auf die einzelnen Buddhismusrichtungen aufteilen:
Theravada 15,3%
Mahayana 35,6%
Vajrayana 42,1%
Schulübergreifend 7%
Dies bedeutet, dass zu Beginn der 90er Jahre der tibetische Buddhismus die meisten Deutschen anzusprechen vermochte. Man sagt zwar der Tibetische Buddhismus, jedoch sind die Anhänger hauptsächlich Deutsche. In Deutschland leben weniger als 100 Tibeter. In diesem Buch hat Herr Baumann die asiatischen Buddhisten nicht mehr getrennt aufgelistet sondern die Mahayana-Buddhisten insgesamt erfaßt.
Am 14. August 1999 traf ich den Autor, Herrn Dr. Martin Baumann, in der Pagode Phat Bao in Barntrup. Wir sprachen über einige Themen, die mit der Entwicklung des vietnamesischen Buddhismus in Deutschland in den 80er Jahren zusammenhingen. Herr Baumann ist Religionswissenschaftler und hat daher eine sehr objektive Sicht. Es ist für einen Nicht-Buddhisten manchmal leichter, den Buddhismus zu beurteilen, als für einen Buddhist, da dieser einen Außenstandpunkt einnimmt, der für einen Buddhisten viel schwerer zu erreichen ist. Manche Meinungen sind oft parteiisch. Herr Baumann ist 11 Jahre jünger als ich und hat noch sehr viele Ideen. Er hat auch einige Male an der Athanga-Sila-Klausur in der Pagode Vien Giac teilgenommen, um mehr über das Leben der vietnamesischen Buddhisten zu erfahren.
Im Mai 1999 wurde die Magisterarbeit mit dem Titel „Vietnamesischer Buddhismus in Deutschland. Darstellung der Geschichte und Institutionalisierung“ des Buddhisten Loc Ho mit dem Dharmanamen Duc Thu, an der Universität Hannover, im Fachbereich Religionswissenschaft, eingereicht und angenommen. Er promoviert zur Zeit an der Universität Hannover mit dem Dissertationsthema „Leben in fremdkulturellem Kontext gestalten: Vietnamesische Buddhisten in Deutschland und den USA. Ein analytischer Vergleich von Kontinuität im Wandel“. Die Dissertation wird voraussichtlich erst in 3 bis 5 Jahren fertig sein. Im Oktober 1999 wird Duc Thu sich in der Kloster Pagode Vien Giac ordinieren lassen. Ich hoffe, dass er in der Zukunft alles über die Geschichte und Entwicklung des vietnamesischen Buddhismus in Deutschland und den USA referieren und analysieren kann.
Neben den drei Hauptströmungen, in denen der Buddhismus nach Europa und Nordamerika kam, gibt es eine andere Strömung, nämlich den Strom der vietnamesischen Flüchtlinge und ider asiatischen Ehepartner in asiatisch- deutschen Mischehen, die den Buddhismus ebenfalls nach Westen bringen. Die Zahl der asiatisch- buddhistischen Ehepartner ist nicht klein und müßte sich gegen Ende dieses 20. Jahrhunderts auf 100.000 beziffern. Der vietnamesische Buddhismus hat seine eigenen Merkmale. Er ist viel ruhiger, friedlicher; trotzdem hat er die Herzen vieler Vietnamesen, aber auch vieler Europäer und Nordamerikaner gewonnen. Einige vietnamesische Meister wie z.B. der Hochehrwürdige Thich Thien An, der Hochehrwürdige Thich Huyen Vi, der Hochehrwürdige Thich Nhat Hanh haben den vietnamesischen Buddhismus den Menschen im Westen nahe gebracht. Sie tun alles zum Wohle der Lebewesen sowie es in der Lehre des Mahayana-Buddhismus gelehrt wird. Bücher über den vietnamesischen Buddhismus gibt es heute in einigen Sprachen wie z.B. Englisch, Deutsch, Japanisch, Französisch. Die amerikanische Ehrwürdige Nonne Karuna, Schüler des Hochehrwürdigen Thich Thien An in den USA, hat den Weg des vietnamesischen Zen ausgesucht und lebt zur Zeit im internationalen Meditationsinstitut in Los Angeles. Die deutsche Nonne mit dem vietnamesischen Namen Phap Dang ist Schülerin des Hochehrwürdigen Thich Man Giac in den USA. Auch viele Franzosen und Amerikaner haben über die Hochehrwürdigen Thich Huyen Vi und Thich Nhat Hanh die Zuflucht zu den Drei Juwelen genommen.
Ich habe auch zwei deutsche Ordensschüler mit dem Dharmanamen Thien Nam und Thien Binh. Beide sprechen sehr gut Vietnamesisch, verstehen und wissen viel über die Sitten und Gebräuche der Asiaten, insbesondere der Vietnamesen. Thien Nam hat aber nach einer kurzen Aufenthaltszeit im Kloster Vien Giac die Robe wieder abgelegt, weil er die vielen Niederwerfungen während der Klausurzeit nicht ausgehalten konnte.. Doch er kommt immer wieder gerne zurück in die Pagode, um seinen Meister und seine Freunde zu besuchen. Thien Binh wurde nach zwei Jahren im Kloster ordiniert und später zum Novizen mit dem Namen Hanh Hao. Bis heute lebt Hanh Hao seit 3 Jahren als Novize im Kloster Vien Giac. Insgesamt hat er also 5 Jahre im Kloster gelebt und praktiziert den vietnamesischen Buddhismus. Er spricht außer Vietnamesisch auch Englisch und fließend Hochchinesisch. Deshalb hat er keine Probleme, sich mit der asiatischen Kultur vertraut zu machen. Man muß eben einen starken Willen haben. Er hat an der Universität Hamburg Sprachwissenschaft studiert. Im vergangenen Jahr (1998) wurde seine Magisterarbeit mit dem Titel: „Die Zehn Büffelbilder“ auf Chinesisch von der Universität Hamburg angenommen. Er hat das Werk, das in der Zeit der Auseinandersetzung zwischen Trinh und dem Nguyen Fürsten entstand, vom Altchinesischen ins Deutsche übersetzt. Dieses Werk war versehen mit den Anmerkungen des vietnamesischen Hochehrwürdigen Thich Quang Tri, die er ebenfalls übersetzt hat. Das war eine schwere Arbeit, die er erfolgreich abschließen konnte. Nun bereitet er auf die Dharma-Expo 2000 vom Mai bis Oktober 2000 in der Kloster-Pagode Vien Giac vor.
Wenn ein Europäer oder Amerikaner die Buddhalehre studiert, muß er nicht unbedingt etwas über die Kultur und Sprache der entsprechenden Tradition lernen. Doch es ist für ihn nur vorteilhaft, wenn er auch über ein Wissen darüber verfügt. Viele große tibetische Meister sprechen keine Fremdsprachen. Wenn die Europäer sich intensiv mit der Buddhalehre beschäftigen wollen, müssen sie in der Regel die tibetische Sprache erwerben, so z.B. im tibetischen Zentrum in Hamburg. Die Ordensleute wie z.B. Oliver, die Nonne Carola oder der ehemalige Bhikkhu Christoph können fließend tibetisch sprechen und schreiben, und sind damit in der Lage, tibetische Texte zu studieren und zu übersetzen.
Wir Asiaten und speziell wir Vietnamesen in Deutschland sind nur kulturelle Brücken zwischen Asien, Europa und Nordamerika. Die Einheimischen müssen für sich selber die Saat ausstreuen, um einen eigenen Buddhismus auf diesem westlichen Boden zu entwickeln, der seit vielen Jahren von ansässigen Religionen beeinflußt wurde. Möge die neue Saat des Buddhismus auf diesem Boden gedeihen und eines Tages Blüten tragen, so dass der geistige Garten sich noch mehr entwickelt und schöner wird. Wenn die Saat, also die Ursache gut ist, wird auch die Frucht, also die Wirkung, gut sein. In Deutschland wurde bereits die Saat ausgesät. Der Sämann dieser geistigen Saat wird in der Zukunft gute Ernte einbringen. Es kann sein, dass der Baum der Erleuchtung erst in 100 oder 200 Jahren voll entwickelt sein wird. Menschen, die gegen Ende der 70er Jahre nach Deutschland kamen, so wie der Hochehrwürdige Thubten Ngawang und ich, dürfen diese Hoffnung in uns tragen, so dass der Buddhismus den Menschen in der Zukunft viel Nutzen bringen wird. Es gibt Menschen, die vor Freude weinen, wenn sie Seiner Heiligkeit begegnen. Andere lachen vor Freude. Andere wiederum bewundern die Erscheinung Seiner Heiligkeit. Es gibt Leute, die sich danach sehnen, das fröhliche Lachen Seiner Heiligkeit zu sehen, um ihre Sorgen zu vergessen. Aber es gibt auch Leute, die ihn nicht gerne auf Reisen sehen. Das sind die Chinesen. Eines muß man sagen, dass es auf dieser Welt wenige Menschen gibt, die eine so große Nächstenliebe wie Seine Heiligkeit haben. Seine Heiligkeit ist ein religiöses und weltliches Oberhaupt der Tibeter. Er ist die Verkörperung des Avalokiteshvara-Bodhisattva. Doch Er ist so einfach natürlich, nett und höflich zu allen. Er hat schon viele Prominente und Staatsmänner getroffen wie z.B. Bill Clinton, Mitterrand, Chirac, die britische Queen oder den taiwanesischen Präsidenten. Er lächelt alle an. Auch wenn er mit den vietnamesischen Flüchtlingen spricht, oder einem kranken Kind, das seinen Segen braucht, begegnet, lacht Er immer. Er fragt nach dem Wohl der Menschen und sorgt sich um sie wie eine liebe Mutter.
An dieser Stelle erinnere ich mich an einer Stelle im Vinaya-Pitaka. Es geht um eine Geschichte mit Buddha und seinem Schüler. Der Buddha war auch den ganzen Tag beschäftigt mit der Praxis, mit Meditation, Unterweisung in die Buddhalehre, Almosengang etc. Eines Tages besuchte Buddha einen kranken Bhikkhu. Dieser war verletzt und hat in Übereinstimmung mit den Geboten, die Buddha aufgestellt hat, die Wunde mit zerfetzten Leichentüchern bandagiert. Da der Stoffetzen giftig war, machte er die Verletzung noch schlimmer. Aus diesem Grund hat Buddha den Mönch die Erlaubnis gegeben, die offene Wunde mit sauberem Stoff zu bandagieren, um sie vor Infektion zu schützen. Der kranke Bhikkhu gehorchte Buddha und tat was Buddha ihm erzählte. Tatsächlich wurde die Wunde sehr schnell geheilt und er war bald wieder gesund. Das ist nur eine kleine Tat des Buddha, doch viele Menschen waren von der Barmherzigkeit des Buddha beeindruckt. Viele Leute haben wohl gedacht, dass Buddha sich nicht um solche Kleinigkeiten zu kümmern braucht. Doch das sind die Bilder der Barmherzigkeit, denn Buddha vergißt niemanden. Seine Heiligkeit, der Dalai Lama XIV., ist der auf Erde der inkarnierte Avalokiteshvara-Bodhisattva und auch Er besitzt die Tugend der Barmherzigkeit.
Am 18. Juni 1995 empfing ich Seine Heiligkeit am Drei-Flügel-Tor des Klosters Vien Giac. Seine Heiligkeit berührte seinen Kopf mit dem meinen. Das ist eine sehr höfliche Begrüßungsart der tibetischen Ordensleute. Eigentlich bin ich es nicht wert; doch Seine Heiligkeit tat es trotzdem aus Liebe. Ich habe auch zwei Mal die Hände Seiner Heiligkeit halten dürfen, in Hamburg und in Schneverdingen, und das gab mir neue Kraft. Ich weine und lache auch nicht vor Freude, sondern speichere die schönen Eindrücke in meinem tiefen Inneren, um sie als Gepäck mit auf den langen Erleuchtungspfad zu nehmen.
Alle, die in dieser Welt geboren wurden, müssen eines Tages sterben. Die jungen Leute glauben, dass sie noch eine lange Zukunft vor sich haben, während Leute über 50 wie ich z.B. wissen, dass der Weg bald zu Ende ist und der Tod bald kommt. Deshalb bereiten wir uns sehr gut auf die Reise ins Reine Land vor. Die Zeit vergeht sehr schnell. Ich lebe schon seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Ich habe in den letzten 20 Jahren mein Bestes gegeben und mit den Ordensschülern und Laienbuddhisten meine Pflicht getan. Nun hat die geistige Saat Früchte getragen. Ich darf aber trotzdem sagen: „Das Saatgut, das ich vor zwanzig Jahren ausgesät habe, hat mich kein bißchen enttäuscht“.
Im August 1999 fand in Troisdorf bei Bonn die 20jährige Jubiläumsfeier des Cap Anamur Komitees für die Rettung der Vietnamesischen Bootsflüchtlinge statt. Die Feier wurde von Herrn Dr. Neudeck organisiert. Wenn es ihn damals nicht gegeben hätte, hätten die Deutschen die Rettungsaktion auch nicht unterstützt und die 10.000 Vietnamesen hätten nicht gewußt, wo sie gelandet wären. Vielleicht wären sie im Ozean ertrunken. Vielleicht hätten sie auch Asyl in einem anderen Land erhalten. Doch die 10.000 Vietnamesen, die von der Cap Anamur gerettet wurden, hatten ein großes Glück und durften nach Deutschland. Die Zahl der Teilnehmer war sehr groß. Von deutscher Seite wurden der neue Bundespräsident Johannes Rau, der ehemalige Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Dr. Albrecht, die ehemalige Bundestagspräsidentin Frau Süßmuth, der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel und einige weitere Politiker und Vertreter karitativer Organisationen eingeladen. Dr. Albrecht hat die alten Erinnerung geweckt und erzählte über das Schiff Hai Hong, das die ersten Vietnamesen rettete und sie am 10.12.1978 nach Deutschland brachte. Er war der erste Ministerpräsident, der die Flüchtling in sein Bundesland Niedersachen aufnehmen wollte. Später folgten ihm die anderen Bundesländer. Die Zahl der zur Zeit in Deutschland lebenden Vietnamesen beträgt ca. 100.000. Von diesen haben ihm viele Menschen ihren Aufenthalt hier zu verdanken. Ich nenne Dr. Albrecht oft einen Bodhisattva, der den Menschen in ihrer Not hilft. In seiner Rede erwähnte Dr. Albrecht oft das Kloster Vien Giac in Hannover, das geistige Zentrum der Buddhisten, das sich in seinem Bundesland befindet, wo er über zwei Perioden das Amt des Ministerpräsidenten von Niedersachsen bekleidet hatte. Er erwähnte auch die ersten schweren Schritte, die ich hatte, das geistige Leben der in Deutschland lebenden vietnamesischen Buddhisten zu betreuen. Heute, 20 Jahre später, dienen viele Vietnamesen in diesem Land. Das ist die Pflicht und die Aufgabe der Vietnamesen. Niemand von uns dürfte die folgende Redewendung vergessen: „ Wenn man die Frucht ißt, soll man an den, der den Baum gepflanzt hat, denken“. Die vietnamesischen Flüchtlinge in Deutschland sollten immer dankbar an Deutschland, an die deutsche Regierung und das deutsche Volk denken. Obwohl die Zahl der Buddhisten in Deutschland sehr gering ist, sind die Buddhisten ihren Bodhisattva-Weg tapfer gegangen.
Von 1979 an bis heute sind es genau 20 Jahre. Während dieser Zeit hat die deutsche Bundesregierung das Kloster Vien Giac unterstützt, damit es z.B. die Zeitschrift Vien Giac herausgeben konnte und meine Bücher, damit es die religiösen und traditionellen Feste ausrichten konnte, und so seinen Beitrag zu leisten in der Lage war für eine schnelle Integration der Vietnamesen in die deutsche Gesellschaft. Wir haben in den letzten 20 Jahren eng mit der Bundesregierung zusammengearbeitet. Ohne die Unterstützung durch die deutsche Bundesregierung würden die Vietnamesen womöglich noch mehr Schwierigkeiten haben. Ich bin auch nur ein kleines Sandkorn auf dem unendlichen Meer. Ich hoffe, dass dieses Sandkorn etwas Gutes im Gefüge des Universums beitragen wird. Im Avatamsaka-Sutra steht geschrieben: „In einem kleinen Sandkorn existieren unendliche viele kleine Welten und in diesen unendlich kleinen Welten gibt es unendlich viele kleine Sandkörner. Das ist die unendliche Existenz der Welten nach der buddhistischen Lehre.
Ich begann dieses 27. Buch am 9. Juni 1999 und schließe es ab, heute am 19. August 1999. Es ist auch der 14. Totengedenktag meines Vaters. Ich habe also 2 Monate und 10 Tage für dieses Buch gebraucht. Während dieser Zeit habe ich aber wirklich nur an 45 Tagen etwas geschrieben. Jeden Tag schrieb ich höchsten drei Stunden und wenigsten für eine halbe Stunde. Ich schreibe oft in den Morgenstunden und sehr selten am Nachmittag. Den Wert meiner Bücher wird man erst später richtig würdigen können. In 100 Jahren, wenn man sich über die Geschichte und Aktivitäten des vietnamesischen Buddhismus in Deutschland informieren will, dann sind sie wichtige historische Quellen.
In diesem Jahr, am 19. Juli 1999, habe ich eine kleine Feier anläßlich der Familienzusammenführung nach 31 Jahren Trennung veranstaltet. Meine beiden Schwestern aus Vietnam und mein Bruder aus Australien waren bei dieser Feier anwesend. Meine älteste Schwester ist heute 74 Jahre alt, meine fünfte Schwester ist 66 Jahre alt. Sicherlich werden wir noch mehr Gelegenheiten haben, uns wieder zu sehen. Meine Heimat liegt immer noch in der Ferne. Ich bin auch meiner Familie zu Dank verpflichtet, denn ohne sie würde ich auch nicht existieren. Das gehört auch zu der Dankespflicht eines Ordinierten. Buddha besuchte damals seinen kranken Vater und kümmerte sich um ihn. Ich dagegen habe nach 30 Jahren immer noch nicht die Möglichkeit, in meine Heimat zurück zu kehren und meine Familie zu besuchen. Diese kleine Familienfeier sollte diesen Verlust kompensieren.
Heute, am 19. Juli 1999, beende ich also dieses Werk und begebe mich in die Gebetshalle, um für meinen verstorbenen Vater zu beten. Meine beiden Schwestern werden mich vertreten und für mich die Niederwerfungen von dem Altar meines Vaters machen. In den letzten Jahren haben das meine Laienschüler das für mich getan, denn ich darf als vollordinierter Mönch nur das machen, was die Silas mir erlauben.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir ihre Zeit beim Erstellen dieses Buches erübrigt haben. Wenn ich nicht die Gelegenheit genutzt hätte, jedes Jahr ein Buch zu schreiben, dann hätten die 20 Jahre sehr schnell verstrichen sein können, ohne etwas für die Nachfolger zu hinterlassen. Und alles würde möglicherweise in Vergessenheit geraten.
Ich bin mir sicher, dass Seine Heiligkeit, der Dalai Lama XIV., auch ein Lächeln für dieses Buch übrig hat. Es ist ein Buch, das über die Person Seiner Heiligkeit schreibt, und sie ehrt. Ob gut oder schlecht, wird man sehen. Für Seine Heiligkeit ist alles so wie es ist. Ich möchte mich an dieser Stelle vor Seiner Heiligkeit tief verbeugen und Ihr meine Verdienste geloben. Eure Heiligkeit, Ihr habt mir die Gelegenheit gegeben, die Eindrücke eines Menschen aufzuschreiben, der die große Ehre hatte, Euch in diesem Leben zu begegnen. Ich hoffe, unabhängig davon, welche Welt es auch sein mag, dass ich immer den Bodhisattvas wie Euch begegnen werde.
Ich bete zu den Drei Juwelen, dass diese Wünsche aller Menschen und auch meine in Erfüllung gehen werden.
Beendet am 19. August 1999Der 9. Tag des siebten Monats im Jahre der Katze (Mondkalender), in der Kloster-Pagode Vien Giac.Der Autor: Thich Nhu Dien