Seine Heiligkeit ist gekommen und wieder gegangen. So verhält es mit allen Erscheinungen auf dieser Welt. Doch sein Kommen hat vielen Menschen ein glückliches Lächeln gebracht. Und sein Gehen hat ebenfalls in den Herzen vieler Menschen ein befreiendes, erlösendes Gefühl hinterlassen.
Zu Buddhas Lebzeit hat Buddha den Menschen mit seiner Barmherzigkeit und Weisheit geholfen. Deshalb haben die Menschen seiner Zeit ein gesegnetes Gefühl gehabt, wenn sie Ihm begegneten. Überall wo Buddha weilte, ob bei den Königen oder den einfachen Menschen, stets gab es Frieden und das Leid wurde gemindert. Feinde hatten die Gelegenheit, sich zu versöhnen und in brüderliche Beziehungen zu treten.
Nach zweitausendfünfhundert Jahren ist die Lehre des Erhabenen immer noch so frisch wie bei ihrer ersten Verkündung, ja sie ist ewig. Die Patriarchen haben ihr Leben nach dieser Lehre gelebt und sie haben sie ihren Schülern weiter vermittelt. Sie lehrten und lebten Barmherzigkeit und Weisheit. Der Buddhismus existiert heute auf allen fünf Kontinenten. Ähnlich wie jener Buddha damals, so hat auch heute die Person des Dalai Lama die Welt beeindruckt, ihre Bescheidenheit genauso wie ihr friedlicher Einsatz für das Volk von Tibet. 1989 wurde Seine Heiligkeit mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Überall, wo der Dalai Lama heute hingeht und predigt, wendet er sich an die Politiker, Künstler und Religionsführer. Er selbst ist bestrebt, seinen Geist durch die Silas, die Meditation und die Weisheit zu entwickeln und befreien, um den Glauben an den Buddhismus und an die Tugend der Barmherzigkeit zu stärken.
Am 18. Juni 1995 hat die Kloster-Pagode VIEN GIAC in Hannover (Deutschland) das Glück erlebt, Seine Heiligkeit zu empfangen. In der 88. Ausgabe der VIEN GIAC Zeitschrift habe ich auch einen ausführlichen Artikel über seinen Besuch geschrieben. Ich möchte an dieser Stelle, den genannten Artikel noch einmal erwähnen. Ich hoffe, dass alle, die das Glück hatten, den Besuch Seiner Heiligkeit zu erleben, dieses Ereignis für immer in ihrer Erinnerung bewahren werden.
Seine Heiligkeit, der Dalai Lama XIV., ist zu uns gekommen und hat uns sein Lächeln gebracht.
Es gibt mittlerweile schon sehr viele Bücher über den Dalai Lama, Bücher in verschiedenen Sprachen, auch auf vietnamesisch. Der vietnamesische Schriftsteller NGUYEN PHONG, der in den USA lebt, hat z.B. zwei Bücher aus dem Englischen ins Vietnamesische übersetzt, “My Land and My People” und “Freedom in Exile”. Seine Übersetzung war so gut, dass sie viele Leser zu begeistern vermochte. Diese wollen jetzt noch mehr über Seine Heiligkeit wissen. Vor sieben Jahren besuchte Seine Heiligkeit Hamburg, eine große Stadt im Norden Deutschlands, welche über zwei Millionen Einwohner hat. Auch dort leben viele Vietnamesen. In Hamburg gibt es auch ein tibetisch- buddhistisches Zentrum, das unter der geistigen Betreuung von Geshe Thubten Ngawang steht. Dieses Zentrum richtet sich vor allem an Deutsche und hat auch einige Deutsche als Mönche ordiniert, die der Schultradition ihres Lehrers entsprechend tibetische Mönchgewänder tragen.
Das tibetisch- buddhistische Zentrum hat damals eine öffentliche Dharmaunterweisung veranstaltet und uns, die vietnamesischen Mönche und Nonnen, dazu eingeladen. Die Veranstaltung fand in einer großen Halle der Universität Hamburg statt. Die Halle bot genügend Platz für vier bis fünf Tausend Besucher. Die Veranstaltung begann mit einer tibetischen Zeremonie; anschließend gab Seine Heiligkeit eine zweistündige Dharmaunterweisung. Danach gab es eine Mittagspause mit Mittagsessen. Am Nachmittag folgte es eine weitere Dharmaunterweisung. Während der gesamten fünfstündigen Dharmaunterweisung haben die Zuhörer aufmerksam zugehört und es war absolut still. Diese Stille hat in mir einen tiefen Eindruck über Seine Heiligkeit hinterlassen. An jenem Nachmittag durften wir Seine Heiligkeit begrüßen und Er hat uns die Hand gegeben. Nach der Veranstaltung fuhren wir zurück in die Pagode. Ich erzählte vielen Leuten über diese schöne Erfahrung und sie fragten mich daraufhin, ob wir Seine Heiligkeit nicht auch einmal in die Pagode einladen könnten. Ich nahm die Frage zur Kenntnis, wusste allerdings noch keine Antwort. Damals hielt ich die Pagode für zu klein und meine Person noch für zu jung, um Seine Heiligkeit einladen zu können. Also habe ich damals nur geantwortet: “Eines Tages wird Seine Heiligkeit auch zu uns nach Hannover kommen, vor allem, nachdem das Kloster VIEN GIAC fertiggestellt worden ist”. Und tatsächlich ist dieser Wunsch dann auch wahr geworden. Die Kloster-Pagode wurde Ende 1994 fertig und im Juni 1995 hatten wir Seine Heiligkeit zu Besuch.
Im März 1995 trat Herr Helmut Hanefeld, ein deutscher Buddhist, der länger als zwei Jahre im Kloster VIEN GIAC gelebt und gearbeitet hatte, an mich heran mit der Bitte einer Repräsentantin der Tibet Initiative Deutschlands um einen Gesprächstermin. Er sagte damals etwa folgendes: “Frau Iris Heiß, eine Vertreterin einer deutsch-tibetischen Freundschaftsorganisation möchte mit Ihnen über den Besuch des Dalai Lama in Köln am 8. Mai 1995 sprechen. Seine Heiligkeit beabsichtigt, die vietnamesische Pagode in Hannover zu besuchen. Nehmen Sie bitte Kontakt auf mit Herrn Gyaltag, dem Vertreter der tibetischen Botschaft in der Schweiz. Er möchte auch nach Hannover kommen, um die Angelegenheit mit Ihnen zu besprechen.”
Das wurde dann eigentlich der Beginn der Vorbereitungen des Besuchs Seiner Heiligkeit. Nach meiner Rückkehr aus Indonesien am 31.03.1995 habe ich Herrn Gyaltag und Frau Iris Heiß (Herr Hanefeld war auch dabei) in der Pagode VIEN GIAC empfangen. Nach diesem Gespräch waren wir uns über die Organisation und den Ablauf des Besuchs Seiner Heiligkeit in der Kloster-Pagode VIEN GIAC einig.
Im Ostgebäude des Klosters VIEN GIAC habe ich dem Verein Chöling, einem deutschen Verein, der den tibetischen Buddhismus praktiziert, einen großen Raum zur Verfügung gestellt. Seine Mitglieder haben den Raum zu einer kleinen Gebets- und Meditationshalle ausgebaut. Der Verein Chöling zeigte auch die Bereitschaft, den Besuch des Dalai Lama zusammen mit unserem Kloster zu organisieren. Wir beschlossen, uns möglichst schnell und des öfteren zu treffen, um den Ablauf des Besuchs Seiner Heiligkeit und die dafür geplanten Veranstaltungen im Einzelnen vorzubereiten.
So taten sich im April 1995 drei Organisationen zusammen, um den Besuch Seiner Heiligkeit zu planen: Die Kloster-Pagode Vien Giac, der Verein Chöling und die Tibet-Initiative Deutschlands.
Wir planten, dass Seine Heiligkeit zuerst die Politiker und Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche empfangt. Anschließend sollte Seine Heiligkeit den Buddhisten eine Dharmaunterweisung erteilen und danach dann weiter nach Köln fahren.
Der deutsch-tibetische Freundschaftsverein übernahm die Aufgabe, Kontakte mit den deutschen Politikern aufzunehmen. Die Kloster-Pagode und der Verein Chöling sollten die Vertreter der zwei großen Religionen einladen. Die Einzelheiten des Besuchablaufs wurden in weiteren Sitzungen erörtert.
Nach dem Treffen im Kloster war Frau Iris Heiß so erfreut, dass sie die Presse in Hannover über den Besuch Seiner Heiligkeit informierte. Aus diesem Grund wurde schon am nächsten Tag, dem 17.04.1995, die folgende Schlagzeile in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gedruckt: “Der Dalai Lama wird die Kloster-Pagode Vien Giac am 7. Mai 1995 besuchen”. Nach dieser Ankündigung haben sehr viele Menschen die Pagode angerufen, um mehr über den Besuch zu erfahren. Doch zu dem Zeitpunkt wussten wir auch nicht viel mehr als den bislang geplanten Termin und konnten deshalb auch keine weiteren Informationen geben.
Schon bald bekam ich einen Anruf von Herrn Gyaltag aus der Schweiz, der mich wissen ließ, dass der Flugplan geändert wurde und Seine Heiligkeit doch nicht nach Hannover kommen könne. Die Nachricht schlug ein wie ein Blitz. Ich fühlte mich so entmutigt und geriet daher in eine sehr traurige Stimmung. Also ließ ich alles fallen. Nachdem nun feststand, dass Seine Heiligkeit nicht mehr nach Hannover kommen könne, informierte ich darüber die Presse. Während dieser Zeit beschlich mich aber zugleich auch ein Gefühl, dass hier irgendetwas nicht in Ordnung sein könne. Einige Tage später bekam ich wieder einen Anruf von Herrn Gyaltag, der mir mitteilte, dass Seine Heilig nun doch an dem genannten Termin, am 7. Mai 1995, kommen kann. Während dieses Telephongesprächs gab ich ihm meine Enttäuschung und meine Ungehaltenheit über das Hin und Her, über die Zu- und Absage und wieder Zusage zu erkennen. Ich fragte ihn direkt: “Warum erst ja, dann nein, und jetzt wieder doch ja? Wir wissen ja überhaupt nicht mehr, was wir machen sollen!” Nach dem Gespräch nahm ich zu den beiden anderen Organisationen Kontakt auf und wir beschlossen, Seine Heiligkeit zu einem anderen Termin einzuladen.
Nach der Rückkehr Seiner Heiligkeit nach Indien, Ende Mai, erfuhr ich, dass der Deutsche Bundestag Seine Heiligkeit am 19.06.1995 in Bonn empfangen wird. Er solle dort über die Verletzung der Menschenrechte in Tibet durch die Volksrepublik China sprechen und würde bei dieser Gelegenheit auch sicherlich nach Hannover kommen.
Als ich dieser Nachricht erhielt, war ich sehr erfreut und lud die Vertreter der beiden anderen Organisationen am 20.05.1995 ein, um die Durchführung des Besuchs Seiner Heiligkeit im Juni zu besprechen. Die Initiative lag diesmal bei mir. Herr Hanefeld hat seine Teilnahme an der Vorbereitung zurückgezogen, da er unter einer derartigen Anspannung nicht arbeiten könne. Für ihn war der neue Termin viel zu knapp kalkuliert. Also beschlossen wir Frau Iris Heiß und Herrn Frank Sanzenbacher mit den Planungen zu betrauen.
Nachdem wir, d.h. die Kloster-Pagode und die beiden anderen Organisationen, einig waren, ein Besuchsprogramm zu veranstalten, informierte ich Herrn Gyaltag darüber, dass wir in der Lage wären, den Besuch Seiner Heiligkeit in Hannover am 18. Juni 1995 auszurichten.
Die vorher schon einmal gemachten Pläne über den Ablauf des Besuchs wurden im wesentlichen übernommen. Seine Heiligkeit sollte diesmal mehr Zeit in Hannover verbringen. Er sollte zunächst im Rathaus der Stadt Hannover empfangen werden und sich ins Gästebuch der Stadt eintragen sowie die dortigen Politiker treffen. Dank dieser Verlegung des politischen Ortstermins in das Rathaus der Stadt Hannover, brauchten die Politiker nicht mehr in die Kloster-Pagode Vien Giac zu kommen.
Ich habe deswegen des öfteren mit Herrn Gyaltag telephonisch gesprochen, um mich des Kommens Seiner Heiligkeit in regelmäßigen Abständen zu versichern. Denn falls diesmal die Zusage des Besuchs wieder zurückgezogen werden sollte, wüßte ich nicht mehr, was ich den vietnamesischen und deutschen Buddhisten sagen könnte. Besucher können ihre Termine jeder Zeit ändern; aber die Gastgeber bekommen deswegen diverse Probleme, da ja ein derart protokollarischer Besuch immer auch vorher organisiert werden muß. So konnte ich nur jeden Tag hoffen, dass der Termin, wie vereinbart eingehalten, und dass der Besuch Seiner Heilig tatsächlich auch stattfinden würde. Eine weitere Chance würde sich nicht mehr so schnell ergeben. Auch mir war damals klar, dass die Zeit für die Organisation des Besuchsprogramms sehr knapp war.
Frau Iris Heiß schlug vor, für die Veranstaltungen anläßlich des Besuchs eine große Halle zu mieten, damit genügend Platz vorhanden wäre für die vielen zu erwartenden Besucher. Ich lehnte diesen Vorschlag damals aus zwei Gründen ab. Erstens, weil ich ein buddhistischer Mönch bin. Ich ziehe es vor, überall auf der Welt, wo ich als Mönch eingeladen werde, in einer Pagode zu verweilen, Zeremonien zu leiten und Dharmaunterweisungen zu geben. Nur dann, wenn es vor Ort keine Pagode oder keinen Tempel gäbe, wäre ich auch bereit, die Veranstaltung in einer gemieteten Halle durchzuführen. Da es aber in Hannover die Kloster-Pagode Vien Giac gab, war ich also dafür, dass der Besuch Seiner Heiligkeit in der Kloster-Pagode stattfinden sollte. Der zweite Grund war die Stringenz des Handelns, denn wir haben von Anfang an beschlossen, Seine Heiligkeit im Kloster Vien Giac zu empfangen und nicht in irgendeiner großen Halle.
Nach meinen Vorhaltungen einigten sich alle Beteiligten, meiner Vorstellung von dem angemessenen Ort des Empfangs Seiner Heiligkeit zu folgen. Zu den anderen Planungsproblemen gehörten unter anderem auch die Vorbereitungen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung des Veranstaltungsablaufs..
Während des 2539. Vesakfestes (18.-20.05.1995) in der Kloster-Pagode Vien Giac habe ich den dort versammelten Buddhisten den Besuch Seiner Heiligkeit in der Pagode verkündet. Ich war mir ziemlich sicher, dass Seine Heiligkeit am 18.06.1995 unsere Kloster-Pagode Vien Giac besuchen würde und habe deshalb auch meine damals bereits geplante Reise nach Kanada um eine Woche verschoben. Der Hinflug nach Montreal wurde vom 12.06. auf den 19.06.1995 verlegt. Bei einem Frühstück habe ich den Mitgliedern der Congregation der Vereinigten Vietnamesischen Kirche, Abteilung Deutschland, den Vorschlag gemacht, dass die Kloster-Pagode für das Mittagsmahl zwei vegetarische Gerichte vorbereiten sollte, die Seiner Heiligkeit, der Delegation und den eingeladenen Gästen dargereicht werden sollten.
Ein altes Sprichwort lautet: “Was kommt, wird kommen” (Que sera, sera). Mir scheint, dass es auch heute noch seine Bedeutung hat.
Der Ablauf des Besuchsprogramms Seiner Heiligkeit wurde folgendermaßen geplant:
07:30: Ankunft Seiner Heiligkeit am Flughafen Frankfurt.
09:10: Weiterflug nach Hannover mit der Lufthansa.
10:15: Ankunft in Hannover. Seine Heiligkeit wird von der niedersächsischen Justizministerin zum Rathaus begleitet. Dort wird der Dalai Lama weitere Politiker treffen und sich ins Goldene Buch der Stadt einschreiben.
11:45: Abfahrt vom Rathaus zur Kloster-Pagode
12:00: Mittagsessen- Bei seiner Ankunft sollten hohe Ordensleute und ich sowie Hunderte von Buddhisten den Gast am Dreiflügeltor empfangen. Danach sollte Seine Heiligkeit durch den Patriarchenraum geführt werden. Dann würde Er ins Gästezimmer geleitet, wo er die Gelegenheit hätte, sich kurz auszuruhen. Anschließend gäbe es ein festliches Mittagsessen im Konferenzraum.
13:30: Kurze Mittagspause.
13:45: Einweihung des Gebetsraums des Vereins Chöling im dritten Stock.
14:00: Dharmaunterweisung über die Themen “Die vier edlen Wahrheiten”, “Die Zuflucht zu den Drei Juwelen” und “Die Entwicklung des Erleuchtungsgeistes”.
16:00: Abfahrt von der Kloster-Pagode nach Bonn mit dem PKW.
So also sah das vorläufige Programm aus. Wir haben anläßlich dieses Besuchs 604 Karten drucken lassen, denn die Gebetshalle kann nur diese Zahl von Menschen aufnehmen. Von den 604 Karten erhielten der Verein Chöling und der deutsch- tibetischen Freundschaftskreis 120. Die restlichen Karten hat Herr NGO VAN PHAT, der Vorsitzende der Vereinigung der buddhistischen Vietnam- Flüchtlinge, an die Ortsvereine und Tempel geschickt. Sie erhielten jeweils zwischen 10 bis 30 Karten.
Es gab Ortsvereine, die eine Delegation von 50 Personen nach Hannover schickten, obwohl sie nur 20 Karten bekamen. Auch die überzähligen Personen wollten in die Gebetshalle und Seiner Heiligkeit bei der Dharmaunterweisung zuhören. Aber auch diejenigen, die keine Karten erhielten, konnten die Veranstaltung trotzdem im Fernsehen verfolgen, denn sie wurde live übertragen.
Ich kümmerte mich um die Parkplätze auf dem Messegelände. Herr Frank Sanzenbacher sollte mit der Ortspolizei sprechen, die für die Sicherheit und Ordnung zuständig war. Frau Iris Heiß übernahm die Kontakte mit den Ortspolitikern. Herr Peter Holik übernahm die Einteilung des Personals und die Durchführung der internen Organisation.
Bereits einige Tage vor dem Besuchsbeginn kamen viele Buddhisten in die Pagode, um uns mitzuhelfen, Reiskuchen zu kochen, zu putzen, aufzuräumen, zu dekorieren und vieles andere mehr zu tun´. Es war so, als ob man sich für das Neujahrfest vorbereitete. Ein Buddhist namens HIEN hat sehr viel Zeit und Sorgfalt aufgebracht, die kostbaren Möbelstücke aus Vietnam zu polieren. Auch die anderen Buddhisten haben kräftig mitgeholfen.
Nach Abschluß der letzten Vorkehrungen sollten HANH TAN, Frau Iris Heiß, Herr Phuntsok (damals noch tibetisches Vorstandsmitglied des Vereins Chöling) Seine Heiligkeit um 10.15 Uhr am Flughafen Langenhagen empfangen. Um 10:00 Uhr wurden alle Besucher gebeten, die Pagodenräume zu verlassen, damit die Sicherheitsbeamten mit ihren Hunden die Räume durchsuchen konnten. Die Besucher wurden dann mit den Kontrollgeräten überprüft, bevor sie wieder die Pagode betreten durften. Diese Kontrollgeräte habe ich zwei Wochen zuvor von Ehrwürdigen THICH MINH TAM geliehen, als ich ihn bei der Buddhaeinweihungszeremonie in der KHUONG VIET Pagode in Norwegen traf. Fünf Monate zuvor hat auch der Ehrwürdige THICH MINH TAM eine Veranstaltung mit Seiner Heiligkeit im großen Theater Maubert in Paris organisiert. Der Eintritt kostete pro Person 70 Französische Francs. Viele Buddhisten wunderten sich darüber, dass man bei einer religiösen Veranstaltung Eintritt verlangte. Erst nachdem die Karten für den Block A von den Franzosen aufgekauft worden waren und Block B an der Reihe war, haben die Vietnamesen ebenfalls Karten gekauft. Natürlich waren es nicht mehr die besten Plätze. Nun hatten sie wieder einen Grund zu jammern. Beim Betreten des Theaters wurden auch dort die Besucher kontrolliert. Und wieder waren die Vietnamesen darüber verärgert, dass sie kontrolliert wurden.
Jeder von uns sollte wissen, dass Seine Heiligkeit wie ein schmerzender Dorn für China ist, nachdem die chinesische Armee in Tibet einmarschiert ist. China versucht mit allen Methoden, dem Ruhm und der Person des Dalai Lama zu schaden. Deshalb haben wir die Pflicht, ihn zu beschützen. Seine Heiligkeit ist nicht nur der religiöse sondern auch das politische Oberhaupt Tibets. Obwohl Tibet insgesamt nur sechs Millionen Einwohner zählt, ist das Land dennoch zehnfach größer als Vietnam. Daher ist jeder beste Schutz für Seine Heiligkeit für uns eine selbstverständliche Sache.
Am 18.06.1995, um 10:00 Uhr morgens, mußte ich die Pagode verlassen, während die Sicherheitsbeamten noch alle Räume kontrollierten. Ich traf Geshe Thubten Ngawang, den tibetischen Mönch und spirituellen Leiter des hier schon erwähnten Hamburger Zentrums des tibetischen Buddhismus und vier weitere deutsche Ordensleute, die dem tibetisch- buddhistischen Zentrum zu Hamburg angehörten. Wir begrüßten uns gegenseitig und warteten auf die Ankunft Seiner Heiligkeit. Unterdessen kam jemand zu mir und teilte mir mit, dass die Sicherheitsbeamten den Stuhl Seiner Heiligkeit an einer anderen Stelle aufgestellt sehen wollten. Der Stuhl sollte nach ihrer Auffassung mit dem Rücken zur Wand stehen und nicht den Rücken zum Fenster drehen. Es wäre zwar zum Fenster hin heller, doch diese Stellung böte nicht genügend Sicherheit. So etwas wissen eben nur die Fachkräfte. Wie sollen wir deren Arbeit verstehen, wenn wir nicht selbst vom Fache sind? Ich folgte also ihren Empfehlungen. Schließlich werden alle Prominenten und wichtigen Persönlichkeiten jeder Nation besonders geschützt.
Ungefähr um 11:30 Uhr standen alle Buddhisten zum Empfang bereit. Den Weg vom Dreiflügeltor zum Eingang der Gebetshalle säumten die Ordensleute in zwei Reihen. Danach kamen die Mädchen von den Vereinen Buddhistischer Jugend in ihrem langen traditionellen Kleid. Sie warteten mit Blumensträußen. Hinter ihnen standen in zwei langen Reihen, die sich bis zur Amitabha Statue ausdehnten, die Mitglieder des Vereins Buddhistischer Jugend. Dort wartete der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH, der Abt der PHAP HOA Pagode zu Marseille und höchster Repräsentant des vietnamesischen Buddhismus in Europa, auf Seine Heiligkeit. Neben ihm stand ein Mädchen aus dem Verein Buddhistischer Jugend mit einem Blumenstrauß, während ich unten am Dreiflügeltor auf Seine Heiligkeit wartete.
Die Vereine Buddhistischer Jugend kümmerten sich um das Tragen von Ritualgegenständen, das Läuten der großen Glocke, das Schlagen der Trommel und die Bildung eines Spaliers, das vom Dreiflügeltor direkt zur Gebetshalle, von dort zum Patriarchenraum und ins Gästezimmer führte. Vor jeder Tür standen zwei Mitglieder des Vereins Buddhistischer Jugend Wache. Außerdem waren überall deutsche und tibetische Sicherheitsbeamten postiert. Ich muß ehrlich zugeben, dass die Mitglieder der Vereine Buddhistischer Jugend bei dieser Veranstaltung sehr gute Arbeit geleistet haben. Ihre Bemühungen sollen hier deshalb auch hervorgehoben werden.
Punkt 12:00 Uhr Mittags fuhr ein Polizeistreifenwagen mit Blaulicht vor, dem ein grauer Audi folgte. Sie hielten auf die Karlsruher Straße und parkten vor dem Dreiflügeltor. Ich stand in aufrechter Position und hielt in meinen Händen einen Blumenstrauß bereit. Neben mir standen einige Deutsche mit Tränen in den Augen vor Rührung. Jemand gab mir einen weißen Schal. Nach tibetischer Sitte ist es ein gutes Zeichen, wenn man von Seiner Heiligkeit den Schal um des Hals gelegt bekommt. Ich blickte zum Ehrwürdigen THICH MINH LE aus Paris und sah sowohl ihn als auch einige Ordensleute, darunter auch die tibetischen Mönche aus Hamburg, die bereits einen weißen Schal in den Händen hielten. Ich nahm jenen weißen Schal, den mir ein Deutscher überreicht hatte, und legte ihn über den Blumenstrauß. Diesen überreichte ich Seiner Heiligkeit zusammen mit dem weißen Schal, nachdem Herr Gyaltag, Vertreter des tibetischen Außenministeriums, mich Seiner Heiligkeit vorgestellt hatte. Ich wartete während dessen darauf, den Schal, den ich Seiner Heiligkeit gerade überreicht hatte, vom Ihm um meinen Hals gehängt zu bekommen, mußte aber erstaunt feststellen, dass etwas anderes geschah. Seine Heiligkeit hat nämlich den von mir übereichten Schal sich selbst um den Hals gehängt. Das habe ich erst später durch die Neue Presse, die ein Farbfoto abgebildet hatte, erfahren. Im dem Augenblick habe ich nicht mehr daran gedacht. Während der Begrüßung neigte ich meinen Kopf sehr tief, um Seiner Heiligkeit die Ehre zu erweisen, und er berührte daraufhin seinen Kopf mit meinem. Dann gab ich ihm die Hand und war sehr überrascht, denn je tiefer ich meinen Kopf neigte, um meine Verehrung zu zeigen, desto tiefer tat er es auch. Es gibt wirklich sehr wenig Menschen auf dieser Welt, die so ehrlich sind.
Seine Heiligkeit winkte den Menschen zu, Er lachte. Er streckte seine Arme aus und ließ die Menschen ihn berühren, was die Sicherheitsbeamten sehr besorgt machte. Alle Menschen wollten Seine Heiligkeit berühren und seine Nähe spüren, um auf diese Weise einige wenige gute Verdienste zu sammeln. Er lachte immer, schüttelte die Hände und ging weiter voran. Als er die Treppe erreichte, ertönte die große Glocke und die große Trommel. Diese Ritualinstrumente werden in der Pagode nur bei großen Festen und besonderen Anlässen benutzt. Die Photographen und Reporter arbeiteten ununterbrochen.
Venerable TU TRI trug den Parasol. Vor ihm gingen drei Novizen HANH AN, HANH TU und HANH VAN. Sie trugen ein Tablett mit zwei Kerzen, einen Behälter für die Räucherstäbchen, eine Blumenvase und schlugen den kleinen Gong. Ihnen folgten sechs größere Jungen aus den Vereinen Buddhistischer Jugend. Sie trugen weiße Handschuhe und schwere Ritualstäbe und waren mit ihrem ganzen Herzen dabei, um Seine Heiligkeit zu empfangen.
Als Seine Heiligkeit die Terrasse erreichte, ging er nicht direkt zum Hochehrwürdigen THICH THIEN DINH, sondern machte einen Bogen zum Balkon und winkte von dort den Menschen zu. Viele Menschen waren so gerührt, dass sie weinten, weil sie Seiner Heiligkeit, einem lebenden Buddha, begegneten.
Unterdessen ging Er weiter in Richtung der Gebetshalle. Dort kam ihm der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH entgegen und überreichte ihm einen Blumenstrauß. Sie verneigten sich gegenseitig voreinander und berührten ihre Köpfe so als ob sie sich schon seit vielen Leben kannten. Das ist eine sehr schöne Geste.
Seine Heiligkeit hob dann seinen Kopf und betrachtete die große Amitabha Buddhastatue. Dann beugte Er seinen Kopf und berührte den Lotusfuß, auf dem der Amitabha Buddha steht, mit seiner Stirn. Ich war von der Handlung dieses heiligen Mönches sehr stark berührt. Er ist so natürlich und dennoch sehr weise. Er ist so einfach. Als seine Füße den Teppich berührten, kniete Er und zog seine Schuhe sofort aus. Ein Begleiter trug seine Schuhe.
Während Seine Heiligkeit weiter durch die Gebetshalle schritt, ertönten immer noch die Glocke und die Trommel. Die Scheinwerfer der Kameraleute, darunter auch Herr PHAM CUONG, Herr BINH und Herr CHINH strahlten direkt in die Menge. Wegen der vielen Lichter wurde es sehr warm. Während Seine Heiligkeit und der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH sich dem Buddha-Altar näherten, standen die eingeladenen Gäste bereits links und rechts im Gang. Seine Heiligkeit blickte nach oben und sah die Buddhastatue. Er machte drei Niederwerfungen. Der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH tat desgleichen. Vor dem Buddhaaltar stand ein hoher Podest, der von Herrn DUNG, einem Zimmermann aus Hildesheim, angefertigt wurde. Der Podest wurde von der Nonne THICH NU DIEU AN prunkvoll dekoriert. Sie hatte dafür kostbare Stoffe und Perlen benutzt. Vor dem Podest hatte sie Blumen verschiedener Farben aufgestellt. Es sah aus wie ein kleiner Garten. Auf dem Podest stand ein Sessel aus kostbarem Holz. In das Holz ist ein Bild von “Fünf Drachen beim Kampf um einen Schatz” eingraviert. Der Sessel war sehr schwer und mußte von vier Personen getragen werden. Ein zwei Meter langes Stofflaken bedeckte den Sessel von der Rückenlehne bis zu den Füßen. Auf der Sitzfläche lagen zwei Kissen. Das alles war ein richtiges Farbenspiel. Das Rosa der Lotusblumen, die grünen Blätter, genäht auf gelben Untergrund und braunen Rändern. Der Thron Seiner Heiligkeit war sehr prunkvoll gestaltet, so wie es damals auch in der Kaiserzeit noch üblich war. Die Pagode VIEN GIAC in Hannover hatte die Ehre, Seine Heiligkeit, die ein religiöses Oberhaupt und ein Staatsoberhaupt, die vor allem aber ein Weiser ist, zu empfangen.
Seine Heiligkeit und die Ordensleute standen vor dem Altar. Währenddessen defilierten die eingeladenen Gäste an ihnen vorbei und begrüßten sich. Anschließend wurden Erinnerungsphotos gemacht. Auch die Photographen waren fleißig, denn sie durften nur die Gebetshalle betreten und nicht weiter mit hineinkommen.
Von der Gebetshalle aus wurde Seine Heiligkeit in den Patriarchenraum geleitet. Seine Heiligkeit fragte mich, in welchen Raum er sei und wer in der Mitte des Altars verehrt würde. Ich antwortete: “Das sind alle Patriarchen der Rinzai-Schule. Ihr braucht vor ihnen keine Niederwerfungen zu machen”. Ich teilte das Seiner Heiligkeit mit, als Er sich gerade vor dem Patriarchenaltar verbeugen wollte. Ich war der Meinung, Seine Heiligkeit ist die Verkörperung von Avalokiteshvara Bodhisattva. Und ein Heiliger braucht das nicht zu tun, zumal neben den Patriarchen auch Bilder von anderen Mönchen aufgestellt waren.
Ich begleitete dann Seine Heiligkeit weiter zu unserem VIP-Raum. In diesem Augenblick waren nur noch Seine Heiligkeit, sein Begleiter, der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH, der Hochehrwürdige THICH MINH LE, einige Leibwächter und ich in dem Raum. Ich lud Seine Heiligkeit ein, auf dem großen Sessel Platz zu nehmen; doch Er hat sich lieber auf einem der 4 kleineren Sessel gesetzt. Der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH und ich haben Seine Heiligkeit erneut gebeten, auf dem großen Sessel Platz zu nehmen, aber der Dalai Lama lächelte nur. Dann fragte ich: “Wollen Seine Heiligkeit etwas trinken?”. Seine Heiligkeit antwortete: “No”.
Trotzdem hat der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH jemanden zum Wasserholen geschickt. Gleichzeitig griff er nach der Mineralflasche, schenkte das Wasser ein in ein Glas und bot es Seiner Heiligkeit an. Seine Heiligkeit hat daraus zwei Schluck genommen, lachte und fragte weiter: “Wieviele Mönche leben in diesem Kloster?” Ich antwortete: “Zehn Mönche und Nonnen”. Seine Heiligkeit lachte.
Als nächstes fragte ich Seine Heiligkeit, ob sie sich frisch machen wollte. Seine Heiligkeit antwortete, das sei nicht nötig. Nur sein Begleiter ging ins Badezimmer, um sich frisch zu machen. Während wir uns mit Seiner Heiligkeit unterhielten, standen die Leibwächter dabei und auch vor der Tür standen die Mitglieder der Vereine Buddhistischer Jugend Wache. Niemand außer den zwei Kamerateams von Herrn PHAM CUONG für die Pagode VIEN GIAC und dem für die Pagode THIEN HOA wurde hinein gelassen.
Nach diesem kurzen Gespräch gingen wir zum Eßsaal. Wir führten Seine Heiligkeit zu Ihrem Sessel, während die anderen Mönche, Nonnen und Gäste sich bereits erhoben und Seine Heiligkeit willkommen hießen. Zu der Festmahlzeit wurden 33 Gäste eingeladen. Jeder Gast war ein wichtiger Vertreter von einer der drei großen Religionen in Hannover. Zu den Gästen zählte auch Dr. MEIHORST, ein Berater der Pagode VIEN GIAC und Präsident der Vereinigung der Ingenieure in Niedersachsen. Ebenfalls dabei war Frau SCHMALSTIEG, die Ehefrau des Oberbürgermeisters. Am nächsten Tag erschien in der Ausgabe vom 19.06.95 ein Interview mit Ihr.
Unter den Vertretern des vietnamesischen Sangha, der Abteilung in der Bundesrepublik Deutschland, waren der Ehrwürdige THICH MINH PHU, die Ehrwürdige Nonne THICH NU DIEU TAM, die Nonne THICH NU DIEU AN, der Venerable TU TRI, der Venerable HANH TAN, die Nonne THICH NU NHU VIEN, die Nonne THICH NU DIEU HANH und ich. Die Nonne THICH NU DIEU HANH hatte für die Bedienung der Gäste 12 Mädchen von der Pagode PHAT BAO in ihren gelben Nationaltrachten eingestellt. Frau MY ANH, eine Dolmetscherin, hat den Gästen die dargebrachten Speisen auf Englisch vorgestellt. Nachdem die Gäste der Reihe nach Seiner Heiligkeit vorgestellt wurden, brachten die 12 Kellnerinnen die erste Vorspeise. Nach dem Menuplan nach gab es vier verschiedene Vorspeisen (normalerweise würden eine oder zwei ausreichen). Doch an diesem Tag hatten die Vertreter der Pagoden und die Nonnen ihre Kochkunst beweisen wollen und deshalb so viele Speisen vorbereitet.
Eigentlich sollten insgesamt 8 Speisen dargereicht werden. Auf der Menukarte standen aber 15. Von diesen 15 Speisen übernahm die Pagode PHAT BAO fünf, die Pagode QUAN AM drei, Pagode BAO QUANG drei, Pagode VIEN GIAC drei, Pagode THIEN HOA eine und das Restaurant Jasmin Garten von THI CHON die Nachspeise.
Die zweite Vorspeise wurde mit 4 Drachen verziert, die aus weißen Rüben geschnitten wurden. Die Drachen spukten Feuer als man sie herein brachte. Nachdem das Feuer ausgegangen war, brachten die Mädchen die Speisen zum Tisch. Die Gäste waren von der kunstvollen Vorführung begeistert.
Als dann die Speise mit dem Namen “Schwalbe, die um die Erde fliegt” von der Nonne DIEU AN hereingebracht wurde, steigerte sich die Begeisterung der Gäste noch mehr und man hörte sie sagen, dass sie noch nie eine derartige Speise zu sich genommen hätten. Plötzlich klirrte es sehr laut. Ein Begleiter hatte aus Unachtsamkeit eine Vase vom Tisch gestoßen. Ein Deutscher schrie laut: “Sehr gut!” Für die Europäer ist es ein gutes Zeichen wenn zu Hochzeiten oder anderen Festen Geschirr zerschlagen wird. Manchmal schlagen sie auch absichtlich etwas kaputt, um dadurch Glück zu provozieren. Für die Asiaten sind Scherben dagegen ein schlechtes Zeichen und man vermeidet es daher auch welche zu machen.
Die Mahlzeit nahm ihren geplanten Verlauf. Einige Gäste der tibetischen Delegation für Äußere Angelegenheiten in der Schweiz und die Begleitperson Seiner Heiligkeit nahmen ihr Mittagsessen am Tisch nebenan zu sich.
Ich sagte zum Venerable THICH TU TRI, dass alle Speise bis spätestens 13:25 Uhr auf dem Tisch gebracht werden sollten. Seine Heiligkeit müsse sich noch ausruhen.
Bevor die Gäste die Nachspeise zu sich nahmen, stand ich auf und verkündete: “Es ist eine große Ehre für uns heute, Seine Heiligkeit zu empfangen. Ich bitte Eure Heiligkeit und die Gäste, sich in das ausgelegte goldene Gästebuch einzutragen.” Seine Heiligkeit hatte daraufhin sofort einige Zeilen auf Tibetisch in das Goldene Buch eingetragen. Ich konnte sie leider nicht lesen. Auch später habe ich noch keine Zeit gefunden, mir den Inhalt des Textes von einem Tibeter übersetzen zu lassen. Am drauffolgenden Tag, den 20.06.95 reiste ich ab nach Kanada. Ich hoffte, Herrn PHUNTSOK, den Vorsitzenden der Gemeinschaft Chöling, nach meiner Rückkehr aus Kanada um eine Übersetzung bitten zu können. Nach Seiner Heiligkeit hatten sich dann auch der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH, der Hochehrwürdige THICH MINH LE und die geladenen Gäste in das Gästebuch eingetragen. Dieses goldene Gästebuch ist für uns ein kostbares Erinnerungsstück, das in der Pagode VIEN GIAC aufbewahrt wird. Es ist das Zeugnis dafür, dass uns Seine Heiligkeit hier einst am 19.06.99 besucht hatte.
Nach dieser Prozedur erhob sich Seine Heiligkeit. Im gleichen Augenblick schickte die Nonne DIEU HANH die 12 Mädchen, die zuvor die Gäste bedient hatten, zu Seiner Heiligkeit, um Ihn mit Niederwerfungen zu verehren. Jede von ihnen hielt einen weißen Schal in Händen. Seine Heiligkeit nahm die Grüße der Mädchen entgegen, streichelte ihre Köpfe, schüttelte die Hände und segnete sie. Danach geleitete ich Seine Heiligkeit wieder nach draußen. Auf den Fluren standen immer noch die Jungen von den Vereinen Buddhistischer Jugend Wache. Als wir den Ahnenraum passierten, fragte Seine Heiligkeit wem die Bilder gehörten, und wessen Statue dort stünde. Ich antwortete: “Eure Heiligkeit, das sind die Bilder der Verstorbenen und die Statue dort ist der Ksitigarbha-Bodhisattva. Er weilte in der Hölle, um den Lebewesen auch dort zu helfen.
Als wir wieder im VIP-Raum angelangt waren, bat ich Seine Heiligkeit auf dem Sessel Platz zu nehmen, damit ich einige Fragen stellen könnte. Ich bat Seine Heiligkeit einige Bücher, die über Ihn auf vietnamesisch, englisch und deutsch erschienen waren, zu signieren, da mich verschiedene Leute einige Tage zuvor darum gebeten hatten. Unter diesen Büchern war ein Buch, das von einem Deutschen 1959 über Tibet geschrieben wurde. Das Buch trug den Titel ’Sieben Jahre in Tibet’. Ich blätterte durch einige Seiten und sagte: “Diese Bilder sind sehr alt. Können Eure Heiligkeit sich an das, was sie zeigen, erinnern?” Seine Heiligkeit zeigte auf eines und antwortete: “Das sind meine zwei Brüder, das ist meine Mutter und das ist meine jüngere Schwester.”
Ich bat Seine Heiligkeit, zwei Handtücher zu segnen, bevor ich sie für zwei Buddhisten zur Ehrung nach Vietnam schickte. Ich pflege ab und an nach Vietnam zu telefonieren, um meine Bekannten nach ihrer Gesundheit zu fragen. Diesen teilte ich natürlich auch mit, dass Seine Heiligkeit die Pagode VIEN GIAC besuchen würde. Und in einem dieser Gespräche haben daraufhin mir zwei Buddhisten ihre entsprechenden Wünsche geäußert. Die Bekanntheit Seiner Heiligkeit ist wirklich grenzenlos. Sie reicht bis nach Vietnam. Obwohl Seine Heiligkeit seine Heimat verlassen mußte, hat sie dennoch alles. China dagegen hat zwar das Land, jedoch nicht die Unterstützung des Volkes. Deshalb wird Seine Heiligkeit früher oder später in Seine Heimat zurückkehren können; so wie die Vietnamesen, eines Tag in ihre Heimat zurückkehren werden.
Ich kniete mich vor Seiner Heiligkeit nieder und erläuterte ihr das Mittagsprogramm:
13:45 Uhr: Einweihung des Gebetsraums der Chöling-Gemeinschaft.
Um 14:00 Uhr würde ich dann Seine Heiligkeit zur Gebetshalle bitten, um dort eine Unterweisung über die Buddhalehre zu geben. Ich bat Seine Heiligkeit, am Ende der Unterweisung die zwei Schalen mit Reis zu segnen, denn die Buddhisten wollten auch etwas mit nach Hause nehmen. Und falls sich nach seiner Belehrung noch etwas Zeit fände, bat ich den Dalai Lama Fragen der Zuhörer zu beantworten. Am Schluß würde ich dann Seiner Heiligkeit, so beschloß ich die Erläuterung, ein Erinnerungsgeschenk und verschiedene Opfergaben darbringen.
Ich fragte Seine Heiligkeit auch noch, in welcher Sprache sie die Unterweisung geben werde. Seine Heiligkeit antwortete: “Auf Tibetisch!” “Die Übersetzer werden es dann ins Deutsche und Vietnamesische übertragen”, fuhr ich fort. Seine Heiligkeit stimmte nachdenklich zu und sagte dann: “Es gibt also drei verschiedene Sprachen”. Dann lachte Er.
Während ich die Bücher, die Seine Heiligkeit signiert hatte, aufstapelte, brachten die Begleitpersonen weitere Bücher und ein Gästebuch ins Zimmer. Seine Heiligkeit öffnete das Gästebuch, in dem auf Tibetisch geschrieben war, und las. Er sagte zunächst etwas zu den Tibetern, und schrieb dann einige Worte hinein.
Ich bat Seine Heiligkeit sich für 10 Minuten auszuruhen. Sie entgegnete, dass alles in Ordnung sei. Der Dalai Lama ging kurz ins Badezimmer, um sich für die Einweihung des Gebetsraums frisch zu machen. Dann verließ er den VIP-Raum und wurde von den Leibwächtern durch die Hintertreppe zum kleinen Gebetsraum der Chöling-Gemeinschaft geführt. Die Vordertreppe war von den Leuten versperrt. Im Gebetsraum warteten bereits 45 Deutsche auf den Ankunft Seiner Heiligkeit. Ich weiß nicht was Seine Heiligkeit 15 Minuten lang dort gemacht hat. Ich vermute, dass sie dort bestimmt gebetet und meditiert hat. Natürlich wurde der Raum auch eingeweiht. Ich wartete währenddessen unten, um Seine Heiligkeit in die große Gebetshalle zu begleiten. Bereits am Abend zuvor hatte ich den kleinen Gebetsraum besucht und festgestellt, dass die Mitglieder der Chöling-Gemeinschaft den Gebetsraum schön eingerichtet hatten. Sie hatten für Seine Heiligkeit auch einen Sitzpodest tibetischer Art gebaut.
Nach 15 Minuten kam Seine Heiligkeit wieder nach unten und wurde von mir in die Gebetshalle geleitet. Auf dem Weg in die Gebetshalle passierte Seine Heiligkeit den Ahnenraum. Dort standen bereits die Ehrwürdige Nonne THICH NU DIEU TAM und die Nonne THICH NU DIEU AN. Sie begrüßten Seine Heiligkeit mit drei Niederwerfungen. Seine Heiligkeit ging mit Seiner Hand über den Kopf der beiden Nonnen und umarmte sie ganz fest, so wie eine Mutter ihre Kinder umarmt. Seine Heiligkeit ist wirklich der reinkarnierte Avalokiteshvara-Bodhisattva. Seine Heiligkeit fragte dann: “Bhikkhuni?” “Yes”, antwortete ich. Die zwei Nonnen müßten sehr glücklich sein, denn mit dem Segen Seiner Heiligkeit werden sie möglichst bald die Erleuchtung in der Zukunft erlangen.
Ich begleitete Seine Heiligkeit in die Gebetshalle. Dort standen bereits Hunderte von Buddhisten, Deutsche und Vietnamesen, um Seine Heiligkeit zu empfangen. Ich führte Seine Heiligkeit zum Thron, half ihm auf die drei Stufen. Doch Seine Heiligkeit ging zunächst auf eine Buddhistin zu, die gerade vor Ihm Niederwerfungen gemacht hatte. Dann ging der Dalai Lama in die Mitte vor den Altar und machte drei Niederwerfungen. Danach bestieg Seine Heiligkeit den Thron, nahm den Lotussitz ein und schaute die Buddhisten lachend an. Die Halle war bis an den Rand ausgefüllt von spiritueller Stimmung. Seine Heiligkeit strahlte unendliche Barmherzigkeit und die große Weisheit eines Erleuchteten aus. Er hat alle anwesenden Buddhisten und Gäste mit Seiner Güte gesegnet. Ich stand aufrecht vor Seiner Heiligkeit und machte drei tiefe Niederwerfungen, bevor ich neben seinem Thron Platz nahm.
Während der Ehrwürdige THICH THIEN DINH aufstand und die Begrüßungsrede auf vietnamesisch und französisch vortrug, sagte er zur mir, ich soll sie auf englisch lesen. Der Kern der Rede handelte von der heutigen Welt, in der die geistige Seite stark leiden muß. Seine Heiligkeit dagegen verkörpere Barmherzigkeit und die Wahrheit. Möge Seine Heiligkeit für immer den Weg der Gewaltlosigkeit beschreiten. Dieses wurde mit tosendem Beifall belohnt.
Ich kehrte zu meinem Platz zurück und setzte mich neben dem Ehrwürdigen THICH MINH PHU. Dort lag bereits ein Edelholzgemälde von der Pagode der Einen Säule als Geschenk für Seine Heiligkeit. Vor mir stand ein Tablett mit Muschelverzierungen, in dem ein Teller lag. Auf dem kostbaren Teller lag ein weißer Briefumschlag als Opfergabe für Seine Heiligkeit, in dem 10.000,- DM eingeschlagen waren.
Von meinem Platz aus konnte ich jeden sehen. Auf den Stühlen entlang der Wand saßen die Bischöfe, Mönche sowie auch Herr Dr. MEIHORST. Auf der anderen Seite saßen die Ehefrau des Oberbürgermeisters von Hannover und die anderen Gäste.
Seine Heiligkeit begann seine Belehrung mit dem folgenden Satz:
“Heute bin ich nicht als Dalai Lama gekommen, sondern als Flüchtling wie die vietnamesischen Flüchtlinge, die sich heute hier versammelt haben”. Daraufhin haben die 604 Zuhörer, die Eintrittkarten besaßen, 30 eingeladene Gäste, mehr als 100 Mitglieder der Vereine Buddhistischer Jugend, sowie mehr als 30 Ordensleute geklatscht.
Dann setzte Seine Heiligkeit seine Rede fort:
“Die traditionellen Buddhisten, d.h. diejenigen, die in einer buddhistischen Familie geboren worden sind, sollten versuchen ihre Religion beizubehalten. Dies ist der unsichtbare Faden, der die Heimat mit dem Ursprung verbindet. Dann wechselte Er das Thema und kam zu der Lehre von den “Vier edlen Wahrheiten”. Seine Heiligkeit sprach über das Leiden, über das Entstehen des Leidens, über die Überwindbarkeit des Leidens und über den Pfad, der zur Überwindung des Leidens führt.
Über das Leiden sagte Er: “Wenn wir alle Türen so geschlossen halten, wie im Augenblick die der Gebetshalle, dann führt das auch zu Leiden. Warum ist es hier heute so heiß in der Gebetshalle?”
Nach dem großen Applaus wurden die beiden Türen der Gebetshalle aufgemacht. Von meinem Platz aus konnte ich die große Amitabha Statue vor der Halle auf der Lotusblüte sehen.
Ich weiß nicht, ob die Hitze von den Scheinwerfern des Kamerateams oder von der großen Menschenmenge verursacht wurde? Es war in der Halle tatsächlich sehr warm, obwohl die Außentemperatur nur 10° C war. Ich glaube, es war die Kraft von Seiner Heiligkeit, die die Gebetshalle erwärmt hat. Die Scheinwerfer waren vor dem Eintritt Seiner Heiligkeit in die Gebetshalle auch schon an und es war deswegen nicht zu warm. Hat vielleicht ein Heiliger diese Kraft?
Dann sprach Seine Heiligkeit über heilsame und unheilsame Taten. Seine Heiligkeit betonte: “Um die Erleuchtung zu erlangen, braucht man nur die Silas einzuhalten und die Meditation zu üben. Die Rückkehr zum inneren Geist bringt ewiges Glück. Seine Heiligkeit betonte mehrfach diesen Punkt. Dies ist auch der entscheidende Weg zur inneren Einkehr, wie ihn der Buddhismus generell lehrt.
Seine Heiligkeit hat die Vertreter der Religionen aufgerufen, mehr Verantwortung für den Weltfrieden zu übernehmen und nicht wegen ihrer Verschiedenheit und dank ihrer Macht die anderen zu unterwerfen. Sie sollten besser den Wert ihres inneren Geistes hervorheben. Auch das gehört zum Weg der inneren Einkehr im Buddhismus.
Dieser Abschnitt seiner Rede, die sowohl auf deutsch als auch auf vietnamesisch vorgetragen wurde, erhielt besonders viel Applaus. Die Dharmaunterweisung Seiner Heiligkeit wurde von Herrn Christoph aus dem Tibetischen sehr gut ins Deutsche übersetzt. Auch HANH TAN hat dann die Rede sehr fließend aus dem Deutschen ins Vietnamesische übertragen.
Seine Heiligkeit konnte nur kurz auf das letzte Thema: “Die Entwicklung des Erleuchtungsgeistes”, eingehen, weil seine Zeit sehr knapp bemessen war. Die Dharmaunterweisung war um 15:40 Uhr zu Ende. Ich fragte Seine Heiligkeit noch, ob sie 10 Minuten Zeit für Fragen erübrigen könnte, was sie durch ein Nicken bejahte. Also wurden noch einige Fragen gestellt.
Ein Deutscher meldete sich, doch Seine Heiligkeit sagte, dass die Vietnamesen heute den Vorrang haben. Dies war bereits das dritte Mal, dass Seine Heiligkeit dies betonte. Das erste Mal wurde Er am Flughafen von einem Reporter des NDR nach dem Grund für seinen Besuch in Hannover gefragt. Seine Heiligkeit antwortete: “Ich komme hierher um die Vietnamesen zu besuchen”. Daraus läßt sich schließen, dass Seine Heiligkeit auch den Vietnamesen sehr viel Beachtung schenkt. Wir haben zwar nicht das Glück und den Segen wie das tibetische Volk, gleichfalls ein heiliges und weises Oberhaupt zu haben, aber auch wir teilen mit dem tibetischen Volk das Leiden politischer Verfolgung und das Streben nach Kooperation und Einheit unseres Volkes. Seine Heiligkeit ist die Verkörperung der Wahrheit. Die Menschen im Westen betrachten Seine Heiligkeit als einen Botschafter für den Frieden. Seiner Heiligkeit wurde 1989 mit dem Friedensnobelpreis für ihren gewaltlosen Einsatz geehrt.
Zu Anfang haben sich nur sehr wenige westliche Politiker für den gewaltlosen Einsatz Seiner Heiligkeit für ein freies Tibet interessiert. Doch mit der Zeit hat der Dalai Lama das Herz vieler Westler geöffnet. Ein Beweis für die gestiegene Aufmerksamkeit ist z.B. die Debatte des deutschen Bundestages vom 19.06.1995 über die Menschenrechtsverletzungen in Tibet.
Viele Leute waren von der Unterweisung Seiner Heiligkeit sehr begeistert. Von oben aus konnte ich sehen, dass einige Zuhörer eingeschlafen waren. Ich hatte auch erfahren, dass sich sehr viele Menschen in dem unteren Geschoß, im Bühnensaal, versammelt hatten. Dort gab es eine Direktübertragung, sodass die Zuhörer auch von dort aus die Unterweisung Seiner Heiligkeit verfolgen konnten. Aber dann blieben bis zum Schluß nur noch die Deutschen. Die Mehrzahl der Vietnamesen hatte den Bühnensaal verlassen, und ging nach draußen oder unterhielt sich über andere Sachen. Ist das etwa die Mentalität der Vietnamesen? In der Gebetshalle war es dagegen sehr ruhig. Man könnte sagen, 800 Herzen schlugen im gleichen Takt. Alle Zuhörer folgten aufmerksam der Unterweisung Seiner Heiligkeit. Sie verstanden jedes Wort von Seiner Heiligkeit und verfolgten jede kleine Bewegung von Ihm.
Ich schaute noch weiter nach hinten und sah auf der linken Seite der Gebetshalle sogar noch freie Plätze. Im Grunde genommen könnten also bis zu 900 Menschen Platz in der Gebetshalle der VIEN GIAC Pagode finden.
Seine Heiligkeit hat die Lehre des Buddha so dargelegt wie dies auch der Buddha in illo tempore getan hat. Wichtig ist, dass man wirklich mit vollem Herzen die Lehre des Buddha praktiziert. Es ist so, als wenn man essen muß, um satt zu werden. Wenn man die Erleuchtung erlangen will, muß man fleißig die Lehre des Buddha praktizieren. Das ist eine Wahrheit, die man verstehen muß.
Nach der Unterweisung von Seiner Heiligkeit brachten viele Menschen ihre Kleinkinder zu Seiner Heiligkeit, damit sie sie segnete. Ich sagte immer: “Früher hat Buddha gelehrt, dass jeder die Erleuchtung erlangen kann, wenn er nur fleißig die Buddhalehre praktizierte. Es gibt aber trotzdem Menschen, die sich nicht darum kümmern. Wenn sie aber erfahren, dass andere Buddha geworden sind, wollen sie ein bißchen von ihren Verdiensten abhaben. Es ist wirklich schwer zu sagen. “Alle können meine Gedanken verstehen, sie lachen- doch dann kehrt alles zu seinem alten Treiben zurück. Man glaubt es sei zu schwer, die Lehre des Buddha zu praktizieren. Man wartet auf den Erfolg anderer, um selbst ein bißchen davon zu profitieren. Aber das ist Faulheit, eine typische Krankheit des Menschen. Die Menschen haben Angst in den drei unteren Bereichen wiedergeboren zu werden; doch sie hören nicht auf, unheilsame Taten zu vollziehen; sie unterlassen vielmehr heilsame Taten. Wie sollten sie es auf diese Weise schaffen, sich aus dem Kreis der Wiedergeburten zu befreien?
Bevor Seine Heiligkeit die letzte Frage beantwortete, traten der Ehrwürdige THICH MINH PHU und ich als Vertreter für die Congregation der Vereinigten Vietnamesischen Kirche von der Abteilung in Deutschland, vor Seine Heiligkeit hin und übergaben ihr ein Gemälde und ein Tablett mit einem Umschlag, die wir beide vor die Füße Seiner Heiligkeit nieder legten.
Als DUC THU die letzte Frage auf vietnamesisch übersetzt hatte, verbeugten wir uns drei Male vor Seiner Heiligkeit und übergaben Seiner Heiligkeit das Edelholzgemälde und den weißen Briefumschlag, der 10.000.- DM als Opfergabe für Seine Heiligkeit und seine Delegation enthielt. Seine Heiligkeit nahm die Sachen entgegen und übergab sie seinem Begleiter.
Seine Heiligkeit hat der Pagode VIEN GIAC ein bronzene Buddhastatue geschenkt, welche von einem weißen Seidenschal umhüllt war. Ich nahm die Statue entgegen und hielt sie sehr lange über meinem Kopf während die Buddhisten sehr laut klatschten. Die Statue ist ein kostbarer Schatz für die Pagode VIEN GIAC.
Seine Heiligkeit stieg vom Podest herunter und wurde mit lauten und langem Applaus verabschiedet. Die Mitglieder der Vereine buddhistischer Jugend haben in der Mitte der Gebetshalle zwei Reihen gebildet. Seine Heiligkeit verließ die Gebetshalle mit einem Lächeln und winkte allen Leuten zu.
Der Hochehrwürdige THICH THIEN DINH begleitete Seine Heiligkeit bis zur großen Amitabha-Statue während der Hochehrwürdige THICH MINH LE, die Nonne DIEU HANH, einige weitere Ordensmitglieder und die Buddhisten Seine Heiligkeit bis zum Drei-Flügel-Tor auf der Karlsruher Straße begleiteten. Wir hatten keine Zeit mehr gehabt, uns die Schuhe anzuziehen.
Seine Heiligkeit hat dagegen seine Schuhe, als Er die Statue des Amitabha erreichte, angezogen um den Rest des Weges bis zu seinem Wagen in Schuhen zu gehen. Seine Heiligkeit muß noch einen langen Weg noch gehen, um dem tibetischen Volk sowie der Welt Frieden und Wohlstand zu bringen.
Als Seine Heiligkeit die letzten Stufen betrat, drehte sie sich um und winkte den Buddhisten nochmals zu. Die Buddhisten verabschiedeten Seine Heiligkeit mit ehrwürdigem Applaus. Noch kurz bevor sie den Wagen bestieg wurde Seine Heiligkeit von einem Reporter interviewt. Seine Heiligkeit beantwortete gelassen die Fragen auf englisch.
Jemand stand daneben mit einem Schild, das auf Deutsch und Englisch ausdrückte: “Menschenrechte für Vietnam und Tibet”. Nach dem Interview haben einige Leute noch versucht, Seine Heiligkeit die Hand zu schütteln. Seine Heiligkeit streckte sich noch einmal, um jemandem auf der anderen Seite seines Wagens auf die Hände zu klatschen. Dann hat Seine Heiligkeit noch schnell ein Teller mit Reis gesegnet, bevor Er und zwei Begleitpersonen im Auto verschwanden.
Der Wagen von Seiner Heiligkeit fuhr an und war schon bald nicht mehr zu sehen. Doch sie hat viele Menschen mit ihrer barmherzige Liebe, mit der Liebe eines Erleuchteten während ihres vierstündigen Aufenthalts überstrahlt. Danach liefen einige Buddhisten zurück zur Gebetshalle, um die heruntergefallenen Reiskörner, die Seine Heiligkeit zuvor gesegnet hatte, aufzusammeln. Die gesegneten Reiskörner wurden anschließend an die buddhistischen Vereine weiter verteilt, damit sie sie auf dem Altar verehren können. Einige Buddhisten sammelten auch noch die Blumen, die zuvor als Opfergabe zu den Füßen Seiner Heiligkeit dargebracht wurden, so als ob sie die Gegenwart Seiner Heiligkeit festhalten möchten.
An dem Abend konnte ich nicht schlafen, weil ich sehr froh und aufgeregt war. Auch am Abend davor konnte ich ebenfalls nicht einschlafen, weil ich mir viele Sorgen um die Vorbereitung für den Besuch Seiner Heiligkeit gemacht hatte. Als Seine Heiligkeit kam, wurde sie mit einem Blumenregen begrüßt. Als sie ging strahlte die Sonne, so als ob sie den Menschen Weisheit gebracht hätte.
Dann eilte der Dalai Lama wie ein liebes, natürliches zehnjähriges Kind davon. Als ich von meiner Reise zurück nach Deutschland kam, zeigte ich das Bild den Buddhisten. Sie waren alle erfreut und meinten, dass ich großes Glück hätte, dem Lehrer Seiner Heiligkeit zu begegnen. Das Bild wurde vom Ehrwürdigen TU TRI sehr natürlich aufgenommen. Der Ling Rinpoche stand neben mir mit gesenktem Haupt und lachte fröhlich. Wir weilten an dem Ort, an dem damals zu Buddhas Lebzeiten die ersten zwei Buddhisten ihre Zuflucht zum Buddha und zum Dharma genommen hatten. In jener Zeit hatte Buddha erst die Erleuchtung erlangt und noch keinen Sangha gegründet. An dieser Stelle steht heute ein sehr großer Stein, der an jenes historische Ereignis erinnert.
Am Abend gingen die Mönche und Nonnen zu Ling Rinpoche, um ihn über den Dharma zu befragen. Ich blieb zurück in der vietnamesischen Pagode zu Bodh Gaya. Wie konnte ich aber etwas davon wissen, obwohl die Mönche und die Nonnen mir nichts davon erzählt hatten. Davon habe ich erst viel später erfahren, und zwar als ich mir die Videokassette ansah. Ich fragte mich: Wie konnte der Ling Rinpoche so geschickt mit Menschen umgehen und so fließend englisch sprechen, obwohl er diese Sprache erst seit 3 Monate erlernt hatte. Das ist wirklich sehr außergewöhnlich für ein zehnjähriges Kind.
Ich wollte Seiner Heiligkeit anläßlich Seines Besuches am 18.06.95 dieses Bild zeigen. Doch ich war zu beschäftigt. Aber nun denke ich, dass es reicht Seine Heiligkeit selbst gesehen zu haben. Man muß Seiner Heiligkeit nicht alles erzählen. Ich weiß, dass Seine Heiligkeit ein sehr natürlicher Mensch ist. Es gibt aber auch Lamas, die etwas anspruchsvoller sind, so z.B. bei der Begrüßung der Lamas. Es gibt Lamas, die den Gruß erwidern. Aber es gibt auch Lamas, die nur da sitzen und nicht zurückgrüßen, so als ob das ganz selbstverständlich wäre, dass man sie grüße. Seine Heiligkeit dagegen hat zuerst die Buddhas und dann seinen Sitz mit Niederwerfungen geehrt, bevor er den Sitz bestieg, um Unterweisungen in der Buddhalehre zu geben. Wenn jemand Seine Heiligkeit begrüßt, so beugt sich Seine Heiligkeit auch tief nach vorne, um denjenigen zu stützen und zurück zu grüßen. Er ist wahrlich ein Heiliger voller Barmherzigkeit und Weisheit. Ist es vielleicht der Grund, weil Seine Heiligkeit so natürlich und einfach ist, dass Er das Herz vieler Menschen für sich gewinnen konnte? Es leben heute mehr als 5 Milliarden Menschen auf dieser Erde. Ich glaube, dass mindestens die Hälfe davon Seine Heiligkeit kennen gelernt oder wenigstens von ihr gehört haben. Die jenigen, die sie getroffen haben, müssen ganz besonders viel Glück haben. Doch nicht alle haben dieses Glück. Selbst viele Tibeter sind Ihm noch nie begegnet, sie leben aber in Seiner Barmherzigkeit und Liebe. Die meisten kennen Seine Heiligkeit durch das Medien, durch das Fernsehn oder die Zeitungen.
An dieser Stelle möchte ich auch noch etwas zu den Begrüßungsformalitäten in Vietnam sagen. Es gibt in Vietnam selbstverständlich viele hohe Ehrwürdige, die ihrem Namen gerecht werden. Aber es gibt auch Ehrwürdige die ihres Titels nicht würdig sind. Sie wollen nur, dass andere sie verehren und ihnen Opfergaben darbringen. Überall, wo sie hingehen, wollen sie besonders empfangen werden. Wenn man sie nicht hinreichend würdigt, reagieren sie enttäuscht und traurig. Auch wenn ein Buddhist ihnen die Ehren nicht erweist, werden sie unzufrieden, und bleiben den ganzen Tag gereizt.
Viele Ordensleute haben darüber falsche Vorstellungen, denn sie halten es für selbstverständlich, dass die Laienbuddhisten sie automatisch mit Niederwerfungen ehren. Dabei scheinen sie zu vergessen, dass sie durch unverdient angenommene Verehrung ihre erworbenen Verdienste verlieren, denn sie sind noch nicht erleuchtet. So werden nicht nur ihr Minus auf ihrem Verdienstkonto haben, sondern diese Schulden auch noch zusätzlich mit schlechtem Karma anheben. Heilvoll ist es das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen der Verehrung nur dann, wenn zwischen beiden Personen kein Unterschied gemacht wird. Man soll niemanden dazu zwingen, das zu tun, was man selbst nicht gerne und aus vollem Herzen bereit ist, zu tun.
Wenn Seine Heiligkeit einem Buddhisten den Kopf berührt oder ihn umarmt, so ist das eine schöne Geste. Wenn aber ein normaler Mönch das tut, so sieht das eher komisch aus. Viele Leute verstehen die Bedeutung dieser Begrüßungsformen nicht. Sie üben sie nicht aus ihrem Herzen heraus. Auch die Ordensleute, die verehrt werden, sind mit ihren Verdiensten noch nicht so weit und haben deshalb nicht allzu viele Verehrer.
An dem Morgen des 19.06.1995 habe ich die Patriarchen mit Niederwerfungen geehrt und bin dann mit schwerem Gepäck auf meiner Schulter zum Bahnhof gefahren. Dieses schwere Gepäck war meine große Freude, Seine Heiligkeit empfangen zu dürfen. Ich habe meine Pflicht erfüllt und wusste, dass eines Tages sehr viele Menschen das VIEN GIAC Kloster besuchen werden, sowohl Laien als auch Ordensleute, Vietnamesen als auch Deutsche.
Ich hielt am Bahnhof an, ich stieg aus und eilte schnell zum Kiosk. Die HAZ sah ich bereits in der VIEN GIAC Pagode. Darin waren Bilder und Berichte über den Besuch Seiner Heiligkeit abgedruckt. Ich kaufte zwei andere Zeitungen, die Neue Presse und die Bild-Zeitung. Über das Ereignis wurde in jedem Blatt ausführlich berichtet und diese Resonanz erwies sich auch für die Entwicklung des Buddhismus in Deutschland als positiv.
Gewichtige Veränderungen in den Disziplinen der Historie, Philosophie und Religionswissenschaften haben ihren Anfang in Deutschland genommen. Der deutsche Philosoph Schopenhauer machte im 19. Jahrhundert den Buddhismus in Europa populär. Nietzsche, der sich auch mit Schopenhauer auseinandersetzte, entwickelte eine eigene Lehre, welche den Ansichten des Buddhismus in vielen Punkten so erstaunlich nahe kam. Durch Hermann Hesse wurden wiederum viele Leser seiner Generation mit dem Buddhismus vertraut gemacht. Ich verweise nur auf sein Werk „Der Weg ins Innere“. Auch der berühmte Physiker Albert Einstein hat seine Affinität zum Buddhismus bekundet. Karl Marx, der Gründer des Sozialismus, stammte ebenfalls aus Deutschland. Sein Ringen um soziale Gerechtigkeit verträgt sich durchaus mit dem Geist des Buddhismus. Die Regime, die sich auf ihn berufen, mißbrauchen seine Lehren um ihrer politischen Vorteile wegen. Martin Luther, der religiöse Reformer, der die Christen aufrief, ihr religiöses Leben selbst in die Hand zu nehmen, war auch ein Deutscher. Einige Kritiker meinen sogar: “Das 21. Jahrhundert sei die Ära des Buddhismus, der ebenfalls in Europa sich von deutschem Boden aus ausbreitet. Diese Aussage ist vielleicht nicht falsch. Zur Zeit werden in Deutschland sehr viele buddhistische Bücher veröffentlicht, deren massenhafte Lektüre nicht ohne Resonanz bleibt im Alltagsleben, auf dem Markt, in der Bildung und Forschung, ja selbst auch bei den Mitgliedern der katholischen und protestantischen Kirchen.
Nach meiner Reise nach Indien im März 1995, besuchte ich den Erzbischof Hohmeier vom Bistum Hildesheim. Nach dem Mittagessen, bat er mich, ihm etwas Grundwissen über den Buddhismus mitzuteilen. Herr Hanefeld hat dem Erzbischof, den Pfarrern und Nonnen Meditationsübungen gezeigt. Der Erzbischof fragte mich dann, ob der Buddhismus besser sei als das Christentum, weil viele Christen ihre Religion aufgäben.
Ich antwortete: “Hochehrwürdige, jedes Medikament ist für eine bestimmte Krankheit bestimmt. Wahrscheinlich wurde in Europa bis heute immer nur das gleiche Medikament eingenommen. Jetzt kommt ein neues Medikament nach Europa. Vielleicht wollen die Menschen auch dieses einmal ausprobieren?” Ich tröstete ihn weiter: “Machen Sie sich keine Sorgen. Jede Religion ist eine schöne Blume. Wir sind hier auch nur, um den geistigen Garten in Deutschland zu verschönern.”
Der Erzbischof lächelte.
Die drei großen Blätter in Hannover haben über den Besuch Seiner Heiligkeit sehr ausführlich berichtet. Diese Berichte werden am Schluß dieses Kapitels abgedruckt. Alle drei Zeitungen haben auch sehr schöne Bilder abgedruckt.
In der HAZ wurde auf dem Titelblatt ein Farbphoto abgedruckt, auf dem Seine Heiligkeit vom Oberbürgermeister der Stadt Hannover empfangen wurde. Seine Heiligkeit hängte gerade einen weißen Schal um den Hals des Bürgermeisters. Im Mittelteil wurden zwei weitere Schwarz-Weiß-Photos abgebildet. Das erste Bild zeigte den Dalai Lama, wie er der Menge zuwinkte, als er am Rathaus angekommen war. Das zweite Bild zeigte drei Mädchen von der Pagode PHAT BAO, die in ihren Händen drei große Teller mit vegetarischen Speisen hielten. Die Speisen waren mit drei weißen Drachen aus Rettich dekoriert.
Die Bild-Zeitung hat die höchste Auflagenhöhe. Sie brachte vier Bilder. Das größte Bild zeigte Seine Heiligkeit auf dem Thron. Das zweite kleinere Bild, links, zeigte den Bürgermeister, wie er Seine Heiligkeit mit Handschlag begrüßte. Das dritte Bild zeigte die Gesamtansicht des Klosters mit dem Lotusbrunnen, dem siebenstöckigen Pagodenturm und der Gebetshalle. Das vierte Bild zeigte Seine Heiligkeit, wie sie von ihrem Wagen aus, den Menschen zuwinkte.
Die Neue Presse hat auch vier sehr schöne Bilder abgedruckt. Das erste Bild zeigte die Ordensleute und Buddhisten beim Empfang Seiner Heiligkeit am Drei-Flügel-Tor. Das zweite Bild zeigte Seine Heiligkeit, als sie einer Frau aus Thailand wieder auf die Beine half, nach dem sie ihn mit Niederwerfung geehrt hatte. Das dritte Bild zeigte Seine Heiligkeit am Tor im Gespräch mit einem kleinen Jungen und das vierte zeigte den Dalai Lama beim Eintragen in das Goldene Buch der Stadt Hannover. Neben ihm standen der Oberbürgermeister und einige Politiker des Bundeslandes Niedersachsen.
Nach meiner Lektüre bestieg ich den ICE ein. Er gilt als der luxuriöserste Zug in Deutschland. Ein Zug dieses Typs wurde in Japan bereits 1967 gebaut. Die deutsche Technik hinkt also einige Jahrzehnte hinter der japanischen her. Doch mir scheint, dass deutsche Produkte robuster als japanische Produkte sind. Viele Verbraucher bevorzugen daher deutsche Produkte. Der ICE gleicht einem fahrenden Wohnzimmer. Man kann darin schlafen, lesen, sich unterhalten und anderes machen.
Ich bin gewohnt, im Zug zu schreiben oder manchmal auch zu lesen. Der ICE ist sehr geräumig, die Sitze sind noch breiter als die Sitze im Flugzeug. Der Zug ist mit komfortabel eingerichtet. Man findet dort Fernseher, öffentliches Telefon, elektronische Anzeigen, die über die Geschwindigkeit, unterrichten. Die Anzeige zeigt auch an, auf welcher Seite die Tür aufgeht. Die Welt ist heute so modern, während die Menschen immer noch leiden. Was soll man sagen? Ich saß im Zug neben einer deutschen Frau. Sie las gerade die HAZ und blätterte die Seite mit dem Bericht über den Besuch Seiner Heiligkeit auf. Danach kam sie mit mir ins Gespräch und wir unterhielten uns über den Besuch Seiner Heiligkeit. Ich gab ihr zwei weitere Zeitungen. Nachdem sie sie gelesen hatte, schaute sie mich an und sagte: “Seine Hoheit ist nach Hannover gekommen und hat den Bürgern den geistigen Frieden gebracht”.
Ich habe diesen Satz aus dem tiefen Herzen einer Deutschen gehört. Danach erzählte ich ihr mehr über Seine Heiligkeit und sie hat aufmerksam zugehört.
Jeder hat einen Titel, der seinem Amt, seiner Position entspricht. Die deutsche Frau hat in diesem Fall nicht Unrecht, denn Seine Heiligkeit ist auch der Staatsoberhaupt von Tibet. Richtiger wäre es aber “Seine Heiligkeit” auf Deutsch oder “His Holiness” auf Englisch zu sagen. “Heiligkeit” ist eine Bezeichnung für eine religiöse, heilige Persönlichkeit. “Hoheit” ist dagegen eine Bezeichnung für einen König. Die Anrede für den Dalai Lama ist “Seine Heiligkeit” oder “His Holiness”. Es ist unhöflich nur “How are you?” zu fragen. Im Deutschen gibt es auch die Bezeichnung Hochehrwürdige; die dem Englischen “the most venerable” entspricht und dem Französischen “le très vénérable” was das gleiche auf Französisch heißt. Es gibt auch andere Titel wie z.B. „Ehrwürdiger“ auf Deutsch, „Venerable“ auf Englisch und Französisch. Alle diese Bezeichnungen sind Ehrentitel. Es wäre z.B. ein großer Fehler, wenn man die Ehrwürdigen nur mit Ladies and Gentlemen anredet, denn diese Anrede erfaßt nicht den Aspekt, auf den die Titel der Ordensleute hinweisen.
Als ich aus dem Zug stieg und zum Flughafen fahren wollte, sagte die deutsche Frau zu mir: “Dies ist wirklich ein gutes Zeichen. Ich hoffe, dass ich viel lernen werde bzw. die Zeit habe, das Kloster VIEN GIAC zu besuchen”.
Ich habe sehr intensiv über die Person, Seiner Heiligkeit, nachgedacht. Seine Heiligkeit war am 19.06.1995 zu einer Anhörung des deutschen Bundestag eingeladen worden. Dort debattierte man unter anderem auch über die Menschenrechtsverletzung in Tibet durch die chinesische Regierung. In Tibet leben zur Zeit ca. 6 Millionen Tibeter; dagegen leben dort mehr als 7.000 Chinesen. D.h. eine eingewanderte Mehrheit unterdrückt sozusagen die zu den Schwachen gewordene einheimische Minderheit. Man muß abwarten, wie sich das weiter entwickelt. Einst ist aber sicher, dass die Wahrheit immer siegt. Das ist das Ideal. Das Recht ist auf der Seite der Guten und nicht auf der Seite der Bösen, also auch nicht auf der Seite der chinesischen kommunistischen Regierung, die gegen die Menschenrechte und die Würde des Menschen verstößt. Als ich am Flughafen Frankfurt ankam, ließ ich sofort mein Gepäck einchecken. Dann kaufte ich mir sieben weitere Zeitungen, um zu lesen, ob auch sie etwas über den Besuch des Dalai Lama berichteten. Da ich am Frankfurter Flughafen eine Stunde Wartezeit hatte, studierte ich die Zeitungen sehr sorgfältig, Seite für Seite.
3 von den 7 Zeitungen hatten eine kurze Nachricht gedruckt, doch keine Photos gebracht. Die erste Zeitung war die „Welt“, die auch sehr viele Leser hat. Die anderen beiden waren die „Frankfurter Rundschau“ und die „Frankfurter Neue Presse“. Sie berichteten kurz über die Anwesenheit Seiner Heiligkeit in Deutschland, über das Kloster VIEN GIAC und das tibetisch- buddhistische Zentrum in Hannover.
Ich saß mehr als 8 Stunden im Flugzeug von Frankfurt nach Toronto, und von Toronto nach Montreal. Während dieser Zeit habe ich alle Zeitungsberichte über den Besuch Seiner Heiligkeit aus dem Deutschen ins Vietnamesische übersetzt. Ich wollte diese Berichte als Informationsquelle nutzen. Außerdem wollte ich die Ordensleute und Laien in Kanada über die buddhistischen Aktivitäten in Deutschland informieren.
Hoch über den Wolken dachte ich und denke ich noch heute über dieses große Ereignis nach und das Bild des Dalai Lama schwebt immer noch in meinem Kopf und hat tiefe Spuren hinterlassen.
Ich hoffe mit meinen wenigen Zeilen den später Geborenen meine tiefe Verehrung gegenüber Seiner Heiligkeit dokumentieren zu können. Mögen sie immer dem Weg der Barmherzigkeit und der Wahrheit folgen. Möge das Volk und die Heimat Seiner Heiligkeit bald von der Unterdrückung befreit werden. Möge die Barmherzigkeit sich auch in meiner Heimat und in meinem Volk ausbreiten, so als wären sie die ausgebreiteten Hände Seiner Heiligkeit, welche die Menschheit mit Liebe und Harmonie empfangen.
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Die Hannoversche Allgemeine, vom Montag, den 19.06.1995 berichtet:
Gläubige kommen aus ganz Deutschland: Dalai-Lama segnet buddhistisches Kloster in Mittelfeld
Für jeden gibt´s ein Lächeln
Der Empfang hätte prächtiger nicht sein können. Mönche trugen als Schutz für den hohen Gast einen aufwendig geschmückten gelben Baldachin, den Aufgang zur Pagode säumten junge Mädchen in grauen Gewändern mit bunten Blumenschalen, und hinter dem Eingangstor standen junge Gläubige mit roten Stöcken Spalier- nur der dumpfe Trommelwirbel setzte etwas zu früh ein. Pünktlich um zwölf Uhr war dann für die rund 500 wartenden Zuschauer der große Moment gekommen: Der Dalai-Lama, geistliches und weltliches Oberhaupt des Mönchstaates Tibet, fuhr vor dem Kloster “Vien Giac” in Mittelfeld vor, faltete die Hände über dem Kopf zusammen, begrüßte lächelnd die Gläubigen, sprach sie freundlich an und schüttelte immer wieder die entgegengestreckten Hände. Frauen mit Tränen in den Augen fielen vor dem Würdenträger auf die Knie, wollten seine Hände kaum mehr loslassen.
Zur Segnung des Tibetisch-Buddhistischen Zentrums “Chöling” in dem Kloster war der seit mehr als 30 Jahre im indischen Exil lebende 59jährige nach Hannover gekommen. Der Dalai-Lama folgte einer Einladung des Klosterabtes Thich Nhu Dien sowie der Tibet Initiative. Am Vormittag hatte Justizministerin Heidi Alm Merk (SPD) den hohen Würdenträger am Flughafen begrüßt und kam, vom Gast mit einer weißseidenen Glücksschleife beschenkt, mit ihm ins Rathaus, wo sich der Dalai-Lama ins Goldene Buch eintrug.
Zuvor hatte ihm Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg die Modelle vom im Krieg zerstörten und später wiederaufgebauten Hannover gezeigt. Krieg bringe nur Leid und habe keinen Nutzen, sagte der Dalai-Lama in einer Ansprache vor Gästen im Rathaus, zu denen auch der Vizepräsident des niedersächsischen Landtages, Erwin Jordan, sowie die Vorsitzenden der Ratsfraktionen von SPD und CDU zählten.
Er sei überzeugt, dass Hannover einen echten Beitrag zum Weltfrieden leiste und äußerte sich erfreut darüber, dass die Stadt eine Partnerschaft mit Hiroschima pflege. Schmalstieg sagte, die Tibetfrage werde auch auf der Expo thematisiert. In welcher Form, ließ er offen. Auch dem Oberbürgermeister wurde die weiße Glücksschärpe um den Hals drapiert, eigenhändig vom Dalai-Lama, der wiederum als Gastgeschenk eine weiße Schale in Empfang nahm und danach mit den Politikern zum Tee verschwand.
Im Kloster dann ein Mittagessen- unter anderem mit Vertretern der beiden christlichen Kirchen. Eigens aus Marseille war auch der Hochehrwürdige der Vereinigten Buddhistischen Kirche in Europa angereist. Aufmerksam bediente der Dalai-Lama die neben ihm Sitzenden mit Speisen- ein achtgängiges vegetarisches Menü mit Tofu und Frühlingsrollen war unter der Regie des Chefkochs eines Chinarestaurants entstanden. Eine begrenzte Zahl an Zuhörern, darunter viele Deutsche und Vietnamesen, die aus ganz Deutschland angereist waren, verfolgte dann am Nachmittag eine Lehrunterweisung in der Gebetshalle des Klosters, wo der Dalai-Lama die vier Edlen Wahrheiten erläuterte, ehe er weiter nach Bonn fuhr. Dort nimmt er heute an der geplanten Tibet-Anhörung des Bundestages teil.
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Die Ausgabe der Bild-Zeitung Hannover, vom 19.06.1995 titelt:
Der Dalai-Lama segnet tibetanisches Zentrum
Hannover (p). Der Dalai-Lama, geistliches Oberhaupt des Mönchsstaates Tibet, hat am Sonntag in Hannover ein buddhistisch-tibetanisches Zentrum gesegnet. Der Religionsführer traf auch mit Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg zusammen (Foto). Der Dalai-Lama folgte einer Einladung des in Hannover ansässigen vietnamesischen Klosterabtes Thich Nhu Dien und der Tibet-Initiative Deutschland.
Der Dalai-Lama in Hannover. Er segnete ein Kloster
Ich traf einen weisen Mann mit viel Humor
Der Dalai-Lama (59), Gottkönig der Tibeter, geistliches Oberhaupt von weltweit ca. 1 Milliarde Buddhisten.
Gestern war er zum 1. Mal zu Besuch in Hannover. Er segnete das Buddhistische Kloster Vien Giac (Wülfel).
BILD-reporter Michael Dunker (22) war ganz nahe dabei. Er sagt: “Der Dalai-Lama hat eine tiefe, warme Stimme. Er ist sehr witzig. Ich verstehe jetzt, warum man ihn als Gott verehrt.”
Airport Langenhagen: Ein rotes Tuch um den Körper geschlungen. Braune Kniestrümpfe und Schnürschuhe an den Füßen. So steigt der Dalai-Lama aus dem Flugzeug. Hinter seiner getönten Brille lächeln sanfte, braune Augen.
OB Herbert Schmalstieg (52, SPD) begrüßt den Gast vor dem Rathaus. Plötzlich fällt eine Frau vor dem Dalai-Lama auf die Knie, hebt die Hände zum Gebet. Der Gottkönig lacht, erklärt dem OB: “High tradition” (hohe Tradition).
Die Buddhisten nennen ihren Gottkönig “Herr der weißen Lotusblüte”, “Ozean der Weisheit”, “Wunscherfüllender Edelstein.” Mit kleinen Schritten kommt er auf mich zu. Ich strecke meine Hand aus. Ganz automatisch. Er lächelt, reicht mir seine Hand. Ein warmer, sanfter Druck. Hitzeschauer laufen mir über den Rücken.
Dann der Eintrag ins Goldene Buch. Er schreibt winzige Buchstaben, schnörkellos: “Ich bete für einen endgültigen Frieden auf der Welt.”
Vor dem Kloster “Vien Giac” (“Vollkommene Erleuchtung”) jubeln 500 Menschen. “Little Buddha” lacht, winkt.
Ich rufe ihm zu: “Kennen Sie Richard Gere?” Der schöne Hollywood-Star will 6 Monate/Jahr als Mönch im Kloster leben. Der Dalai-Lama: “Ja, ich kenne ihn. Sehr gut sogar.”
Kleine Panne: Er betritt die Pagode, vergißt fast, sich die Schuhe auszuziehen. Beim vegetarischen 8-Gänge-Menue mit Tofu, Reisnudeln und Frühlingsrollen bedient er seine Tischnachbarn. Ein Gott ganz menschlich.
Dann redet er vor 300 geladenen Gästen. Über:
Deutschland. “Hochentwickelt. Das ist gut. Aber auch die innere Entwicklung des Denkens ist wichtig.”
Leiden. “Die wahre Beendigung von Leiden erfahren wir durch das Erkennen von Selbstlosigkeit.”
Und wieder schelmisch: “Wenn wir nicht noch mehr leiden wollen, sollten wir die Tür öffnen. Es ist so heiß hier.”
Abfahrt nach Bonn (Parlaments-Termin), 16 Uhr. Vorher lehnt er sich quer über die Motorhaube der Limousine, drückt Hände und segnet Schals. Ein Gott zum Anfassen...
Info Dalai Lama
Der Dalai Lama ist das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter (6 Millionen Menschen). Sein Land ist seit 1950 vollständig von China besetzt, er lebt im indischen Exil.
Für die Buddhisten ist der Dalai Lama (= “Ozean der Weisheit”) die Verkörperung Buddhas.
Der jetzige Dalai Lama wurde 1935 als Bauernsohn im Tibet geboren. Als er 2 Jahre alt war, entdeckten ihn wandernde Mönche. Als er 5 war, erklärten ihn die Mönche zur Wiedergeburt des verstorbenen Dalai Lama XIII. und damit zum Gottkönig der Buddhisten. Fortan wurde der “Little Buddha” von den weisesten Priestern erzogen.
1989 erhielt der Dalai Lama den Friedensnobelpreis für seinen “sanften Widerstand” gegen die chinesische Besetzung.
Der Dalai Lama lebt asketisch in einem schlichten Haus, spielt Golf und liebt Katzen.
Info Buddhismus
Entstehung: Im Jahr 563 v. Chr. wurde im Ganges-Tal der Fürstensohn Siddharta Gautama geboren. Mit 29 wurde er Bettelmönch. Auf der Suche nach Erlösung zog er durch Indien. Unter einem Feigenbaum wurde er zu Buddha, dem Erleuchteten.
Lehre: Leben ist Leiden, weil es von Gier bestimmt ist. 8 Pfade führen ins Nirwana (Befreiung vom Leiden), z.B. rechte Einsicht, rechte Andacht, rechte Geistessammlung.
Was ist “recht”? Buddha: Alles, was anderen nützt! Buddhisten glauben an Wiedergeburt, sind tolerant gegenüber anderen Religionen.
In Asien gibt es ca. 800 Millionen Buddhisten, in Deutschland ca. 80.000 Berühmte Buddhisten.
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„Die Welt“ vom Montag, den 19.06.1995 berichtet:
Dalai Lama segnete Kloster in Hannover
DW Hannover- Der Dalai Lama, im indischen Exil lebendes geistliches Oberhaupt des Mönchsstaats Tibet, hat in Hannover ein buddhistisch-tibetanisches Zentrum gesegnet. Der buddhistische Religionsführer war dazu auf Einladung der Tibet Initiative Deutschland und des Klosterabtes Thich Nhu Dien in das zur Gemeinde vietnamesischer Buddhisten in Deutschland gehörende Kloster Vien Giac gekommen. In der Bundesrepublik leben rund 80.000 vietnamesische Buddhisten.
Begrüßt wurde der Dalai Lama neben Abt und Mönchen des Klosters von rund 300 begeisterten Menschen. Begleitet von Trommel- und Glockenschlägen, ging der freundlich-aufgeschlossene 59 jährige über frisch gestreute Blütenblätter in die farbenprächtige Gebetshalle. Vien Giac (vietnamesisch: Vollkommene Erleuchtung) ist das Größte buddhistische Kloster in Deutschland und größtes vietnamesisch-buddhistisches Kloster der Welt außerhalb des asiatischen Landes. Im “Westhaus” der vier Gebäude segnete der Dalai Lama den Andachtsraum der tibetanisch-buddhistischen Gemeinschaft Chöling. Zuvor war er von Niedersachsens Justizministerin Heidi Alm Merk (SPD) empfangen worden. Anschließend hatte er sich in das Goldene Buch der Stadt Hannover eingetragen.
Heute wird der Dalai Lama zu Gesprächen in Bonn erwartet. Unter anderem will er an der Bundestagsanhörung zur Menschenrechtssituation in Tibet teilnehmen.
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Die „Neue Presse“ Hannover vom Montag, den 19.06.1995 schreibt:
Der Friedensnobelpreisträger hinterließ in Hannover eine Spur der Menschlichkeit
Uta Schmalstieg vom Dalai Lama tief beeindruckt
Von Rüdiger Knorr
Hannover. Es war eine kurze Visite mit einem gedrängten Programm. Doch der sechsstündige Hannover Besuch des Dalai Lama, Oberhaupt des tibetischen Mönchstaates im Exil und Friedensnobelpreisträger, hat bei vielen Menschen tiefe Spuren hinterlassen. Auch bei Uta Schmalstieg, die den buddhistischen Glaubenslehrer die ganze Zeit begleitet hat: “Ich bin nie einem menschlicheren Menschen begegnet.”
Die Frau von Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg startet am kommenden Sonnabend zu einer Reise nach China und Tibet, hat sich mit dem Buddhismus, den der Dalai Lama verkörpert, auseinandergesetzt. Aber die direkte Begegnung hat sie ergriffen: “Die Gelassenheit, die Natürlichkeit, die Fröhlichkeit des Dalai Lama wirken ansteckend.”
Als der 59 jährige Mann im dunkelrot gelben Gewand gestern kurz vor 11 Uhr auf dem Weg vom Flughafen zum Empfang im Rathaus eintrifft, sinkt die aus Thailand stammende Hannoveranerin Supranee Holzlehner vor ihm zu Boden, wird von dem Dalai Lama sanft aufgerichtet. “Mein Gefühl ist wie Lotus”, sagt sie hinterher.
Lotus ist die Blume, auf der, vom Schlamm des menschlichen Lebens befreit, der Buddha sitzt.
Pünktlich um zwölf Uhr trifft der Dalai Lama an der Pagode “Vien Giac” in Mittelfeld ein, wird von rund 500 Anhängern begeistert empfangen. Die meisten sind Vietnamesen, die hier in Hannover das größte religiöse Zentrum außerhalb ihrer Heimat haben.
Zur Segnung des vietnamesischen Klosters und des Versammlungsraums der Tibetisch- Buddhistischen Gemeinschaft “Chöling” ist der Dalai Lama gekommen, er wird vom Abt des Klosters, Thich Nhu Dien, begrüßt.
Vietnamesische Mädchen servieren dem Dalai Lama und seinen Gästen ein achtgängiges vegetarisches Menü. Wer anschließend keinen Platz mehr in der Gebetshalle hat, kann im Erdgeschoß der Pagode der mit Spannung erwarteten Unterweisung per Videoübertragung folgen.
Hier unten ist reges Leben, hier wird ein großes Fest gefeiert, gibt es ein einfaches, aber schmackhaftes Essen umsonst.
Und hier folgen alle gebannt der zweistündigen “Lehrunterweisung”, die aus der tibetischen in die deutsche und vietnamesische Sprache übersetzt wird. Er spricht über “heilsame oder unheilsame” Gedanken, über “vier Wahrheiten” und “drei Juwelen”.
Er ruft die Kirchenvertreter dazu auf, gemeinsam Verantwortung für den Frieden zu tragen. Dagmar Meinholz Krone, überzeugte Christin, die aus Neugier gekommen ist: “Für mich ist der Dalai Lama der einzige Mensch auf der Welt, der die Friedensbotschaft glaubhaft vertritt.”
Hoffnung auf tibetische Expo-Visionen
Hannover. “Ich wünsche und bete dafür, dass wir auf der Basis des geistigen Friedens einen echten endgültigen Frieden schaffen.”
Das schrieb der Dalai Lama gestern ins Goldene Buch der Stadt Hannover- als achter Friedensnobelpreisträger. Vor ihm trugen sich auch Henry Kissinger und Michael Gorbatschow ein.
Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg mit Blick auf die heutige Tibet-Anhörung im Bundestag: “Aus wirtschaftlichen Interessen darf sich niemand um die Frage der Menschenrechtsverletzungen von China gegenüber den Tibetern herumdrücken oder herummogeln.” Schmalstieg äußerte die Erwartung, dass die “Visionen” des Dalai Lama auf der Expo 2000 mit einer tibetischen Darstellung Eingang finden.
Der Dalai Lama zeigte sich beeindruckt, dass Hannover Partnerstadt von Hiroshima ist und von hier aus zur Ächtung von Atomwaffen und neuen Atomversuchen aufgerufen wird: “Die Menschen in Hannover können damit einen echten Beitrag zum Weltfrieden leisten.
Mann der Toleranz
Der Dalai Lama ist für die Buddhisten in Tibet die sich immer wiederholende Menschwerdung des göttlichen Bodhisattva Avalokiteshvara. Der 1935 geborene Bauernsohn wurde von Mönchen sechs Jahre nach dem Tod des 13. Dalai Lama als dessen Nachfolger
Stichwort Dalai Lama:
gefunden und 1940 zum 14. Dalai Lama inthronisiert. Seit der Invasion durch Rotchina 1950 und seiner endgültigen Flucht ins indische Exil 1959 versucht der Dalai Lama, mit weltweiter Aufklärung und friedlichem Widerstand auf das Unrecht gegen das tibetische Volk aufmerksam zu machen. 1989 er hielt der immer zur Toleranz aufrufende Mann der Friedensnobelpreis.
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Rhein-Main Landeshauptstadt Wiesbaden
Montag, den 19.06.1995
Roland Koch traf den Dalai Lama
Frankfurt (Ihe).- Bundesregierung und Bundestagsfraktionen sollen sich nach Ansicht des hessischen CDU-Fraktionschefs Roland Koch stärker für das unterdrückte tibetische Volk einsetzen. “Wir Deutschen haben enormen Nachholbedarf im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen durch das chinesische Regime in Tibet”, erklärte Koch nach einem Gespräch mit dem Dalai Lama, dem Oberhaupt des Mönchsstaats Tibet. In dem Gespräch, an dem auch der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Kübler teilnahm, hatte der Dalai Lama berichtet, der Druck der chinesischen Machthaber nehme zu.
Frankfurter Rundschau
Montag, den 19.06.1995
Dalai Lama
Das geistliche Oberhaupt des Mönchsstaats Tibet hält sich zu einem Besuch in Deutschland auf, um an der geplanten Tibet-Anhörung des Bundestags teilzunehmen. Außerdem segnete der Dalai Lama in Hannover ein buddhistisch-tibe tisches Zentrum. Er traf auch mit dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion im hessischen Landtag, Roland Koch, zusammen. In dem Gespräch habe der Dalai Lama vom zunehmenden Druck der chinesischen Machthaber und von ihrem immer drastischeren Kampf gegen die freie Religionsausübung berichtet, sagte Koch in Frankfurt am Main. Die Bundesregierung und die Bundestagsfraktionen sollen sich nach Kochs Ansicht stärker für das unterdrückte tibetische Volk einsetzen. Gerade weil Deutschland traditionell gute Beziehungen zu China unterhalte, müsse es auf einen Kurswechsel in der chinesischen Regierungspolitik drängen.