Buddha lehrte: “Die ideale Erleuchtung kann es außerhalb dieser Welt nicht geben”. Diese Samsarawelt ist die Welt des Leidens. Aus dieser leidvollen Welt versuchen die Menschen zu entkommen und sich auf den Bodhisattvaweg zu begeben. Der Weg des Bodhisattva ist der Weg der Erlösung. Diesem Weg zu folgen, bedeutet: anderen Menschen zu helfen. Solange es noch Leid unter den Menschen gibt, solange hat ein Bodhisattva gelobt, nicht ins Nirwana eingehen, um dort das Dasein der Befreiung zu genießen. Dies bedeutet, dass die Bodhisattvas solange nicht ins Nirwana eingehen werden, solange es Menschen gibt, die das Nirwana noch nicht erreicht haben. Man darf daraus schließen, dass die Bodhisattvas noch sehr lange auf dieser Welt verweilen werden, vielleicht sogar noch eine oder mehrere Millionen Jahre lang. Sie helfen den Menschen und unterstützen sie auf ihrem Erlösungsweg. Erst wenn alles Leid vernichtet worden ist, gehen auch sie ins Nirwana ein.
Aus den Büchern über den tibetischen Buddhismus erfährt man, dass der Status des Lamas (tib. bLa-ma) den Stand des Guru repräsentiert. Der Lama ist also der Kenner des Erlösungsweges und damit auch der höchste Schatz unter den Schätzen des Dharma. Die Tibeter verehren ihre Lamas auch wegen deren Wissen um die eigene Inkarnationsfolge. Der Dalai Lama XIV. ist außerdem auch noch das einzig legitime politische Oberhaupt der über 6 Millionen Tibeter. Seine Heiligkeit ist in Personalunion sowohl das religiöse als auch das legitime weltliche Oberhaupt der Tibeter. Das Land wurde sowohl vor seinem Exil als auch im indischen Exil von Dharamsala aus durch zwei organisatorisch getrennte Institutionen regiert. Die religiöse Institution vertritt die Interessen des Sangha und die politische die Belange der Bevölkerung. Beide haben ihre Versammlungen. In jeder Stadt, in jedem Dorf sind sie vertreten. Dieses System der Demokratie ist heute sehr selten auf der Welt. Die Vorsteher der Sangha-Institution sind Ordensleute; die säkulare Institution wird von Laien geführt. Über beide Institutionen steht der Dalai Lama, der in Personalunion geistliches und politisches Oberhaupt ist.
Dieses hierokratische Regierungssystem ähnelt dem der katholischen Kirche. Allerdings wird der Papst von den Kardinälen in geheimer Wahl gewählt, während der Dalai Lama eine wiederholte Inkarnation des Avalokiteshvara ist, d.h. das Selektionsverfahren beider Ämter differiert. Dem von dem Kardinalskollegium gewählten Papst wird sein Amt auf Lebenszeit übertragen, aber er kann es auch vorzeitig zurückgeben, eine Inkarnation des Avalokiteshvara bleibt sie dagegen zeitlebens. Als religiöses Oberhaupt ist der Papst zwar das religiöse Oberhaupt aller Katholiken auf der Erde, aber als politisches Oberhaupt regiert er nur den Vatikanstaat. Ähnlich verhält es sich mit der politischen Institution des Dalai Lama, der zwar das religiöse Oberhaupt der lamaistischen Kirche, d.h. ihrer Anhänger in der Mongolei, in China, in Nepal, Sikkim und Bhutan ist, aber als politischer Regent (bis zu seinem Exil) nur das sog. Innere Tibet regiert hat.
Auch in Vietnam gibt es einige Alternativen hinsichtlich der Ausbildung der Traditionen des Mahayana und ihrer jeweiligen Religionsausübung. Nach Schätzungen sind 80% der vietnamesischen Bevölkerung Buddhisten. In der vietnamesischen Geschichte gab es verschiedene Epochen, während derer der Buddhismus als Staatsreligion galt, so z.B. die Epoche der LY-Dynastie (1010-1222) oder die Zeit der TRAN-Dynastie (1222-1400). Während der Herrschaft dieser beiden Dynastien waren die Kaiser gleichzeitig auch Meditationsmeister. Kaiser LY HUE TONG hat seinen weltlichen Thron seiner Tochter LY CHIEU HOANG überlassen, um sich als Mönch ordinieren zu können. Später wurde er der Meditationsmeister HUE QUANG. Unter der TRAN-Dynastie war es der TRAN NHAN TONG-Kaiser, der seinen Thron seinem Sohn TRAN ANH TONG überließ und danach in die Hauslosigkeit ging. Er wurde ebenfalls ein Meditationsmeister. Diese Kaiser und Meditationsmeister hatten für sich den Bodhisattvaweg gewählt. Unter ihrer Ägide genoß das Land über 400 Jahre lang den Frieden und eine gerechte Herrschaft. Später kam der Einfluß des Taoismus hinzu und die buddhistischen Mönche zogen sich ganz von allen weltlichen Aufgaben zurück und widmeten sich nur noch dem religiösen Leben. Der Buddhismus existierte trotzdem weiter im vietnamesischen Volk, auch dann noch als er sich von der weltlichen Macht verabschiedet hatte. Erst im 20. Jahrhundert hat sich in Vietnam wieder eine neue landesweit wirksame buddhistische Kongregation gebildet. Diese Kongregation besteht ebenfalls aus zwei Institutionen: dem vietnamesischen Sangha einerseits und dem Institut für die Verbreitung der Buddhalehre andererseits.
Der Präsident der Sanghagemeinschaft wird vom Sangha-Rat gewählt. Er übernimmt sein Amt bis zu seinem Tod. Er vertritt die religiösen Interessen aller Ordensmitglieder und Laien im ganzen Land; jedoch hat er keine vergleichbaren politischen Vollmachten wie sie das Amt des Dalai Lama vorsieht. Das Amt des Sangha-Präsidenten gleicht etwa dem Amt des japanischen Kaisers in der heutigen Demokratie, ihm obliegen rein repräsentative Funktionen.
Der Präsident des Institutes für die Verbreitung des Dharma dagegen wird von den Vertretern der verschiedenen buddhistischen Sektionen und Gebiete gewählt. Dieses Amt gilt auf Zeit. Diese Funktion ähnelt der eines Vereinsvorsitzenden. Der Präsident des Instituts zur Verbreitung des Dharma nimmt direkten Einflüsse auf das Verhalten der Buddhisten, hat aber nur einen indirekten Einfluß auf die Politik. Denn falls die politische Regierung des Landes die Wünsche der Bevölkerung nicht respektiert, kann ein Aufruf dieses Präsidenten das Wahlvolk dazu bewegen, der Regierung entsprechende Forderungen zu stellen.
Viele Menschen meinen die Religion sei zu kompliziert. Da die Religion oft die Politik und die Beziehungen eines Landes nach außen beeinflussen, meinen viele Leute, dass man in der Politik ohne die Religion besser auskäme. Diese Meinung entstand z.B. im Verlaufe der Geschichte der katholischen Kirche. Diese Kirche hatte sich früher manifest in die Politik der Länder eingemischt und damit erhebliche Krisen hervorgerufen. Nach den verschiedenen Abspaltungen protestantischer Konfessionen und vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg war der einzige Ausweg aus dieser Krise eine weltanschauliche Neutralisierung der Politik. Seitdem hieß es in Europa und Nordamerika: „Jeder soll nach seiner Facon selig werden.“ Mit der Trennung von Kirche und Staat verlor die Kirche in Europa und Nordamerika ihren manifesten politischen Einfluß. Die Kirche hat seitdem an politischer Macht verloren. Nach der Oktoberrevolution von 1917 wurde in den ehemaligen Ostblockländern die Religion als Opium des Volkes geächtet. Den Religionsgemeinschaften in diesen kommunistisch regierten Ländern blieb gar nichts anderes übrig, als sich auf sich selbst zu besinnen und neue Wege des religiösen Lebens zu beschreiten. Das war zu beobachten in der UdSSR, in Polen, in der Tschechoslowakei und auch in Vietnam. In allen diesen Ländern mußten die Religionen versuchen, aus eigener Kraft zu überleben. Auch im kommunistisch regierten Vietnam gibt es heute eine buddhistische Kongregation. Aber dieser Verband arbeitet nur als Erfüllungsgehilfe der kommunistischen vietnamesischen Regierung. Solange die Regierung diese Kongregation braucht, solange müssen die Ordensleute dieser Kongregation auch der kommunistischen Partei und dem Staat dienen. Wenn die Regierung sie nicht mehr braucht, wird man sie im günstigen Falle in ein Museum stellen.
Nach buddhistischer Auffassung ist der Bodhisattva eine komplexe Erscheinung. Es gibt ihn in vielen Erscheinungen und Formen, die den Erfordernissen geschuldet sind, nämlich ganz unterschiedlichen Menschen zu helfen. Seine Heiligkeit, der Dalai Lama XIV wurde weltweit immer wieder geehrt und sein Handeln gelobt. Aber stets nahm er diese Ehrungen lächelnd entgegen und sagte ganz bescheiden: “Ich bin nur ein einfacher Mönch”. Viele Menschen halten ihn für einen Buddha oder einen Bodhisattva. Wenn man ihn über sein irdisches Vorleben befragt, so antwortet er stets, dass er sich nur noch wenig erinnert. Er hatte viel mehr Erinnerungen als er klein war. Viele westliche Journalisten wollten von ihm wissen, ob die Institution des Dalai Lama nach dem Ableben des Dalai Lama XIV. aufgehoben wird. Auf Fragen dieser Art antwortet er lächelnd, dass er das noch nicht wisse, da er ja noch lebe und das Amt innehabe. Aber eines läßt sich doch prognostizieren: der Lamaismus wird solange in Tibet weiter bestehen solange die Tibeter ihn haben wollen. Obwohl Tibet gegenwärtig noch unter der chinesischen Besatzung steht und die tibetische Exilregierung deswegen gezwungen ist, sich in Indien aufzuhalten, hat sich das Amt und die Funktion des Dalai Lama XIV. seit 40 Jahren im Prinzip nicht geändert. Obwohl das tibetische Volk von den Chinesen unterdrückt wird, sehen sie in dem Dalai Lama immer noch ihr Oberhaupt.
Ein Staatsoberhaupt muß seinen Staat regieren können. Er muß sich um das Wohlergehen des Volkes kümmern. Man sagt: “Das Volk steht an oberster Stelle, danach kommt das Land und zuletzt der Kaiser”. Wenn alle Staatsoberhäupte auf dieser Welt ihr Land nach diesem Grundsatz zu regieren wissen, wäre diese Welt friedlich und die Menschen würden in Harmonie miteinander leben. Es würden keine Kriege und keinen Haß mehr auf dieser Erde geben.
Für einen Buddhisten gibt es zwei Wege im Leben. Der erste Weg ist ein Weg aktiver Teilnahme und der zweite Weg ist der Weg der Askese. Jeder Weg folgt seinen eigenen Regeln und verlangt nach entsprechenden Erfahrungen und Handlungen. Auf dem ersten Weg engagiert man sich für das Wohlergehen alles Lebendigen, sucht es aus der Samsarawelt, aus dem Wiedergeburtenkreislauf zu retten. Diesen Weg hat der tibetische Buddhismus ausgebildet und dafür Institutionen geschaffen wie jene der Reinkarnation der Dalai Lamas oder Rimpoches. Der Buddhismus in China, Japan, Vietnam und Korea hat zwar andere Schwerpunkte als der tibetische Buddhismus gesetzt, aber allen Wegen ist doch gemein, dass ihre Anhänger “in die Welt Hineingehen”, um die Lebewesen zu retten.
Jetzt möchte ich eine wahre Geschichte aus Vietnam erzählen, welche die Erscheinung der Inkarnation beleuchtet.
Diese Geschichte wurde in verschiedenen alten vietnamesischen Geschichtsbüchern niedergeschrieben. Es handelt sich um die QUANG MINH Pagode, auch CHUA BONG genannt, die Ende des 14. Jahrhundert während der TRAN-Dynastie gebaut wurde. Im Jahre 1578, zur Zeit der Nach-LE-Dynastie, haben Kaiser LE THE TONG (1573-1599) und Fürst TRINH TUNG (1570-1623) Geld für die Renovierung der BONG-Pagode gestiftet. Bis ins 19. Jahrhundert war die BONG-Pagode eine der schönsten Pagoden in Nord-Vietnam. Diese BONG-Pagode ist nicht nur durch ihre ausgesuchte Schönheit bekannt, die von DAI NAM THONG NHAT CHI so beschrieben wurde: “Die QUANG MINH Pagode in HAU BONG, Provinz GIA LOC, ist von Tausenden von grünen Bäumen und von vier großen Seen mit klarem Wasser umgeben. Dieser Ort ist wirklich schön für eine Pagode. Doch die eigentliche Schönheit dieser Pagode ist durch die Verbindung zum Meditationsmeister und Abt HUYEN CHAN (auch Großer Novize) bekannt. Man hat Bücher über die QUANG MINH Pagode gefunden, in der die Biographie dieses Abtes beschrieben war. Der Meditationsmeister HUYEN CHAN kam aus dem Ort DANH HUONG im Kreise HAM NGHI, der heutigen Kreis KIEU XUONG in der Provinz THAI BINH. Sein weltlicher Name war DUC. Es ist nicht bekannt, wann er geboren wurde und wann er verstarb. In dem Buch von Dr. VU PHUONG DE heißt es, dass dem Meditationsmeister HUYEN CHAN auch das Attribut “übereifriger Meister” gegeben wurde.
Jener Meister praktizierte den Zen und den Weg der Schule des Reinen Landes. Eines Tages träumte er von Amitabha-Buddha, der im Traum zu ihm sprach: “Du hast in Deinem Leben viel für den Buddhismus getan. Die Buddhas haben Deine Barmherzigkeit sehr gewürdigt. Deshalb wirst du im nächsten Leben als König des nördlichen Landes wiedergeboren”. Der Meditationsmeister erwachte aus seinem Traum und erzählte die Geschichte seinen Ordens- und Laienschülern. Danach trug er ihnen folgendes auf: “Wenn ich sterbe, sollt ihr vor meiner Verbrennung mit roter Farbe folgende Wörter auf meinen Rücken schreiben “Land AN NAM, Pagode QUANG MINH, Bhikkhu SA VIET”. Seine Schüler versprachen, ihm diesen Wunsch zu erfüllen und bestatteten ihren Meister nach dessem Tode ganz nach seinem Wunsche.
Im Jahre 1604, während der Herrschaft der HOANG DINH VI, veranstalteten Kaiser LE KINH TONG (1599-1629) und Fürst TRINH TUNG (1570-1623) eine Staatsprüfung, in der sieben von allen Teilnehmern zum Schluß den Grad eines Doktor der Philosophie erwarben. Einer dieser Doktoren war NGUYEN TU CUONG, der aus dem TIEN LIET Dorf aus der Provinz VINH LAI stammte (dieses Dorf gehört heute zur VINH BAO, Stadt HAI PHONG). Er wurde 1570 geboren und erwarb seinen Doktortitel im Alter von 34 Jahren. Nach seiner Ernennung zum Doktor wurde er Hofbeamter. Er wurde oft vom Kaiser als Gesandter zu den MINH-Chinesen nach China geschickt. Seine häufigen Reisen brachten ihn auch in Verbindung mit der Inkarnation des Meditationsmeisters HUYEN CHAN. Zu der Zeit, als er öfter in China weilte, regierte der der Kaiser MINH THAN TONG, der 1565 geboren wurde, 1572 den Thron bestieg und 1620 im Alter von 57 Jahren starb. Dieser Kaiser MINH THAN TONG fragte einmal dem vietnamesischen Doktor der Philosophie NGUYEN TU CUONG: “Du stammst doch aus dem südlichen Land (d.h. Vietnam)? Weißt Du, wo die QUANG MINH Pagode steht? NGUYEN TU CUONG antwortete ihm, dass er es leider nicht wisse, woraufhin der Kaiser fortfuhr: “Als ich geboren wurde, stand auf meiner Schulter in roten Schriftzügen geschrieben, dass ich vor diesem Leben der Meditationsmeister der QUANG MINH Pagode gewesen sei. Nun möchte ich diese Schriftzeichen löschen, weiß aber nicht, wie ich es anstellen soll”.
NGUYEN TU CUONG antwortete: “Ich habe gehört, dass die Pagode QUANG MINH ein heiliges Wasser besitzt. Euer Ehren muß das Brunnenwasser aus der QUANG MINH Pagode kommen lassen und damit diese Schriftzüge abwaschen. Nach seiner Rückkehr nach Vietnam erzählte NGUYEN TU CUONG die Geschichte an dem vietnamesischen Königshof. Der vietnamesische König ließ daraufhin das Wasser aus der QUANG MINH Pagode holen und dem chinesischen Kaiser MINH THAN TONG bringen. Dieser wusch mit dem heiligen Wasser seine Schultern und tatsächlich verschwand daraufhin die rote Schrift auf seinem Rücken. NGUYEN TU CUONG wurde mit 3000 Goldstücken reich belohnt. Er hat dieses Gold für die Restaurierung der QUANG MINH Pagode gespendet. Diese Geschichte stellt heraus, dass der Meditationsmeister HUYEN CHAN aus der QUANG MINH Pagode tatsächlich als Kaiser MINH THAN TONG in China wiedergeboren wurde. Diese Geschichte verdient den Glauben, denn ein Doktor der Philosophie wie NGUYEN TU CUONG hätte so eine Geschichte nicht ohne Widerspruch erfinden können. Wahrscheinlich ist NGUYEN TU CUONG auch einmal zur Pagode QUANG MINH gepilgert, um für sich selbst von dort das heilige Brunnenwasser zu holen. Dort wird NGUYEN TU CUONG dann von den Ordens- und Laienschülern des Meditationsmeisters die Geschichte über dessen letzten Wunsch erfahren haben. Drei verschiedene Quellen berichten übereinstimmend diese Geschichte. Wir wissen aber nicht, ob diese Geschichte ebenfalls in China in den Geschichtsbüchern aufgezeichnet worden ist. Falls ja, dann wird sie bestimmt nur als kleiner Vermerk zu lesen sein. Der Grund dafür ist, dass die Chinesen ihr Volk über alle anderen Völker stellen; sie meinen irrtümlich, dass ihre Kultur länger existiere als andere Kulturen. Diese Geschichte von einer Reinkarnation, der sich der Reinkarnierte auch bewußt gewesen ist, ist heute noch in Vietnam in vielen Geschichtsbüchern nachzulesen.
Diese Geschichte liefert ein historisches Beispiel die Inkarnationslehre und die Buddhalehre. Im Lotus Sutra hat Buddha Shakyamuni durch seine Weisheitsaugen gepredigt wer, wo und wann als Buddha wiedergeboren wurde oder werden wird. Der Mensch ist nur ein kleines Atom in diesem Universum und an sich bedeutungslos. Doch eben dieses kleine Atom hat diese Welten erschaffen. Das war das Hauptthema in der HOA NGHIEM Sutra Sammlung, die der Buddha gesprochen hatte. Selbst in einem Sandkorn gibt es unendlich viele andere Welten. Um die Unendlichkeit zu verdeutlichen, hat sich der Buddha oft auf die Sandkörner des Ganges bezogen. In den Augen der Buddhas und Bodhisattvas ist diese Welt, in der wir leben, vergleichbar mit einem Zellgewebe in einem einzigen Haar.
Die eben erwähnte vietnamesische Inkarnationsgeschichte gleicht vielen ähnlichen Geschichten aus anderen Traditionen des Mahayana, sie gleicht besonders den vielen Geschichten, die man in Tibet erzählt. Die Inkarnationslinie des Dalai Lama erscheint ebenfalls als Ausdruck der Bodhisattva-Lehre. Der Bodhisattva-Weg gibt auf, für alle Menschen da zu sein und ihnen zu helfen. Die Allgemeinheit und nicht das Individuum wird betont. Das ist der Weg des Buddhismus, der sich in die Welt hinein begibt.
Der zweite Weg, von dem ich sprach, ist der Weg, aus dem Treiben der Welt herauszuhalten. Wie sieht dieser Weg aus? Dieser Weg wurde in den umfangreichen Pali-Schriften beschrieben. Ich brauche ihn daher auch hier an dieser Stelle nicht mehr zu wiederholen. Dennoch möchte ich einige Aspekte hervorheben, die dem Verständnis dieser Tradition dienlich sind. Die Arahat laufen nach ihrer Erleuchtung nicht mehr Gefahr, wieder in den Kreislauf der Wiedergeburten verwickelt zu werden. Sie sehen in diesem weltlichen Leben zu viel Leiden und möchten daher auch nicht mehr in ihn hineingeboren werden. Sie haben deshalb den Wunsch, für immer ins Nirwana zu gehen. Diesen Weg können wir daher auch als den buddhistischen Weg aus der Welt hinaus bezeichnen. Zunächst erscheint einem dieser Weg sogar egoistisch. Doch jeder Mensch hat das Recht, sein Können einzuschätzen. Jeder muß seine Kraft einschätzen können. Auch die Arahat haben große Barmherzigkeit gezeigt und den Menschen den Weg aus dem Wiedergeburtenkreislauf aufgezeigt. Doch sie erachten das Retten der anderen Lebewesen gegenüber der Aufgabe, selbst die Erlösung zu erlangen, für weniger wichtig. Schließlich kann auch das gute Beispiel für die anderen eine Lehre und eine Anregung sein. Da aber die meisten dieses Beispiel nicht erkennen, leben die Menschen immer noch im Meer des Leidens. Sie haben ihre eigene Erleuchtung noch nicht gefunden.
Jedem Buddhisten wie jeder Buddhistin stehen diese zwei Wegen offen. Normalerweise ist unser Geist so verblendet, so dass wir nicht wissen, von woher wir geboren wurden und wohin wir geboren werden. Doch wenn unser Geist erleuchtet wäre, würden wir erkennen, dass die Inkarnation nur ein Mittel ist, den Menschen auf dieser Welt zu helfen. Sie ist kein Hindernis oder Unglück in diesem Leben, sondern eine Chance.
Seine Heiligkeit, der Dalai Lama XIV., ist überall auf den fünf Kontinenten anwesend, im Fernsehen, im Radio, in den Zeitungen. Er hat viele Orte, Schlösser, Residenzen von Präsidenten, Wohnsitze von Kanzlern und anderen berühmte Persönlichkeiten besucht. Überall, wo er hingeht, tritt er immer als ein einfacher buddhistischer Mönch auf. Seiner Ansicht nach ist das Leben jedes Lebewesens vergleichbar mit einem Glas Schmutzwasser, das von vielem Karma getrübt ist. Es gibt Gläser, die stärker als andere verschmutzt sind. Die Buddhalehre praktizieren, egal in welcher Tradition, bedeutet einzig, den Geist zu reinigen; so wie wir es versuchen, das Wasser im Glas zu reinigen. Jede Meditationssitzung, jede Niederwerfung, jedes Reine Bekenntnis bedeutet eine Blume als Opfergabe an den Buddha. Jede dieser Taten ist ein Keim guten Karmas. Diese Verdienste können wir sowohl für dieses als auch für späteres Leben ansammeln. Es kommt also darauf an, das Glas Wasser unseres Gleichnisses sukzessive von dem Schmutz zu reinigen, der es verunreinigt. Ein Schritt dahin ist die Herstellung der Ruhe, in welcher der Schmutz im Glas sich setzen kann und der Geist auf der Ebene des klaren Wassers seine Transparenz zurückgewinnt, d.h. sein Vermögen zum Durchblick, das ihm hilft, auch den Rest des Schmutzes aus dem Wasser herauszufiltern. In diesem Stande ist er dann frei von jeglichem negativen Karma.
In diesem Stande der Reinheit wird die Buddhanatur zum Vorschein kommen und man erlangt dann auch die Kraft, sich in diese Welt hineingebären zu lassen, um allen noch unerlösten Lebewesen zu helfen, ihren Weg der Rettung zu finden. Für die Bodhisattvas ist die Samsarawelt das Buddha-Reich, das Reine Land, auch wenn es noch so leidvoll ist. Für die erleuchteten Wesen sind alle Welten rein. Nur wir Menschen, beurteilen die Dinge als positiv und negativ und sind deshalb immer noch in den sechs Daseinsbereichen des Samsara verwickelt.
Jedes Leben hat irgendwann ein Ende; nur das Gelübde der Bodhisattvas ist ewig und zeitlos. Möge dieses Gelübde für immer existieren.